Mit seinem Urteil vom 10.10.2012 hat das Landesarbeitsgericht Hamm (Az. 3 Sa 644/12) eine Entscheidung des Arbeitsgericht Bochum aufgehoben (Urteil vom 29.03.2012, Az. 3 Ca 1283/11) und die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Äußerungen auf Facebook für zulässig erachtet. Damit liegt eine der ersten obergerichtlichen Entscheidungen vor, die eine Kündigung wegen Aussagen in Sozialen Netzwerken nicht für unwirksam erklärt und dezidiert zu der Frage Stellung bezieht, wann entsprechende Aktivitäten eines Mitarbeiters nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.
Die Fakten
Ein 26-jähriger (!) Auszubildender hatte auf seinem Facebook-Profil bei „Arbeitgeber“ stehen „menschenschinder & ausbeuter Leibeigener … daemliche scheisse fuer mindestlohn -20% erledigen“ eingetragen. Daraufhin hatte er eine fristlose Kündigung erhalten, gegen die er sich mittels einer Kündigungsschutzklage zur Wehr gesetzt hatte.
Im Rahmen des Prozesses hatte das Arbeitsgericht Bochum die Kündigung des Auszubildenden für unwirksam erklärt. Hiergegen legte der Arbeitgeber Berufung zum Landesarbeitsgericht Hamm ein und bekam Recht.
Hintergründe der Entscheidung des Arbeitsgericht Bochum
Auszubildende können nach Ablauf der maximal 4-monatigen Probezeit (§ 20 BBiG) nur noch fristlos und unter Angabe von Gründen (§ 22 BBiG) gekündigt werden. Das heißt, dass für die Kündigung ein „wichtiger Grund“ (§ 626 Abs. 1 BGB) vorliegen muss.
In der ersten Instanz hatte das Arbeitsgericht Bochum unter Hinweis auf § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG den pädagogischen Anspruch des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) in Vordergrund gestellt und insofern auf die – neben der Pflicht zur fachlichen Ausbildung – bestehende Verpflichtung des Ausbilders zur Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung abgestellt. Auch wenn die Arbeitgeberin ein Kleinstbetrieb sei, hätte der Arbeitgeber durch eine Abmahnung oder Kritikgespräche nach Meinung des ArbG Bochum zunächst versuchen müssen, bei dem Mitarbeiter durch mahnende Worte eine Verhaltensänderung zu bewirken. Dabei übersieht das Arbeitsgericht keineswegs das für einen Auszubildenden doch bereits fortgeschrittene Alter von 26 Jahren, hält die unmittelbare fristlose Kündigung aber aus den genannten Gründen für unzulässig.
Die Rechtsfrage
Die entscheidende Frage ist, ob ein wichtiger Grund für eine Kündigung vorliegt: Inhaltlich sind die Formulierungen „menschenschinder & ausbeuter Leibeigener … daemliche scheisse fuer mindestlohn -20% erledigen“ sicherlich beleidigend. Da diese Bezeichnungen unter der Rubrik „Arbeitgeber“ eingetragen waren, musste der Arbeitgeber diese auch auf sich beziehen – auch wenn der Name der Fima nicht unmittelbar genannt wurde. Kurioserweise bietet die Arbeitgeberin ihren Kunden u.a. die Erstellung von Facebookprofilen als Dienstleistung an.
Der gekündigte Auszbildende hatte die Meinungsfreiheit ins Feld geführt: gegenüber seinen Freunden müsse er auch mal unsachlich, übertrieben und lustig formulieren dürfen. Und: er habe nicht – auch nicht nachdem er in einem Gespräch auf sein Facebookprofil hingewiesen hatte – damit rechnen müssen, dass sein Arbeitgeber sein privates Profil anschaue.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Hamm geht – wie übrigens auch das Arbeitsgericht Bochum – von einer Beleidigung aus. Das Facebookprofil und damit die Beleidigungen seien einer Vielzahl von Personen zugänglich gewesen und der Auszubildende habe nicht damit rechnen können, dass diese für eine Vielzahl von Personen einsehbare Beleidigungen für das Ausbildungsverhältnis folgenlos bleiben würden. Zumal der Auszubildende eben bereits 26 Jahre alt sei.
Zur Reichweite der Eintragungen führt das LAG Hamm ausdrücklich aus:
Zudem bestand aufgrund der allgemeinen Zugänglichkeit der Seite im Netz jederzeit die Möglichkeit, dass Dritte wie Kunden oder sonstige Geschäftspartner des Beklagten Kenntnis von der Darstellung des Klägers erhalten und der Beklagten daher als ein besonders infamer Ausbilder aus der Sicht eines Auszubildenden einzuschätzen ist.
Damit wird klar dass es bei der Zulässigkeit einer Kündigung auch entscheidend darauf ankommt, wie bzw. für wen genau (Arbeitskollegen, Geschäftspartner des Arbeitgebers usw) entsprechend Bemerkungen einsehbar.
Offen gelassen ist bislang die Frage, inwiefern der Arbeitgeber diese Formulierungen überhaupt zur Kenntnis nehmen durfte? (vgl. Arbeitnehmerdatenschutz – Zulässigkeit der Gewinnung von Arbeitnehmer- und Bewerberinformationen über Soziale Netzwerke)
Resumee und Praxishinweise
Der geschilderte Fall zeigt die Relevanz dieses Problemkomplexes. Auch in Zukunft wird sind in vielen Fällen die Frage stellen, was Mitarbeiter im Hinblick auf ihren Arbeitgeber bzw. ihr Arbeitsverhältnis in und über Facebook, XING & Co eigentlich veröffentlichen dürfen.
Zu Recht steht Mitarbeitern in vielen Fällen die Meinungsfreiheit zur Seite, die dazu führt, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter nur in begrenztem Umfang disziplinieren bzw. sogar Abmahnungen oder Kündigungen aussprechen dürfen.
Gleichzeitig sollten Arbeitnehmer aber auch nicht dem Irrglauben unterliegen, dass Äußerungen in den Sozialen Medien stets „privat“ seien, den Arbeitgeber deshalb nichts angingen bzw. keine arbeitsrechtlichen Folgen haben könnten.
In dem Beitrag „Social Media & Recht – Grenzen der Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis“ haben wir bereits vor einiger Zeit zusammengefasst, wo rechtliche Grenzen zu ziehen sind. Unserer Einschätzung nach werden in Zukunft immer stärker auch plattform-spezifische Faktoren wie Reichweite der Äußerungen (abhängig von den individuellen Privatsphäreeinstellungen) aber auch der Personenkreis der die jeweiligen Inhalte faktisch zur Kenntnis genommen hat (Kollegen, Geschäftspartner etc.) bei der Bewertung der Zulässigkeit einer arbeitsrechtlichen Maßnahme zu berücksichtigen sein.
Um sich all diesen Ärger zu ersparen, das Unternehmen vor (Ruf-)schäden zu bewahren, aber auch die Mitarbeiter vor sich selbst zu schützen, raten wir Unternehmen zur Einführung von Social Media Richtlinien. Mitarbeiter, die darüber die notwendige Medienkompetenz vermittelt bekommen und die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen, gehen erfahrungsgemäß bewußter mit XING, Facebook & Co um. Entsprechende Vorbeugung lohnt sich und kann solche Fälle verhindern. Der eingetretene Schaden kann auch im Falle einer zulässigen Kündigung nur bedingt kompensiert werden.
Der obige Fall zeigt auch, dass solche Social Media Guidelines in aller Regel auch (arbeits-)rechtliche Bezüge aufweisen, die nicht von allen Unternehmen gesehen bzw. sinnvoll abgebildet werden. Neben der Sensibilisierung der Mitarbeiter wird eine interessengerechte Social Media Richtlinie auch im Fall der Fälle dazu beitragen, dass das Arbeitsgericht nicht im „luftleeren Raum“ argumentiert, sondern die jeweilige, dem Mitarbeiter ja bekannte Richtlinie als gesetzten Rahmen als Diskussionsgrundlage heranziehen. Insofern dürften Unternehmen mit entsprechend abgesicherten Richtlinien auch im Falle eines Kündigungsstreits besser aufgestellt sein, als Unternehmen ohne entsprechende Positionierung.
Weiterführend:
Social Media Guidelines (TEIL 1) – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen
Social Media Guidelines (TEIL 2) – Kritische Analyse der SAP Social Media Participation Richtlinien
Social Media Guidelines (TEIL 3) – Praxishinweise zur Einführung von Richtlinien
Interview in der ZEIT Online „Verbote sind keine Lösung“ Social Media Richtlinien – (Rechtliche) Leitplanken schaffen Medienkompetenz
Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter 0711 228 54 50 oder den unten stehenden E-Mailadressen zur Verfügung.
Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht (E-Mail culbricht@diempartner.de)
Rechsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Birte Keppler (E-Mail bkeppler@diempartner.de)
Solche Fälle werden immer mehr. Und schon wieder eine Beleidigung – dieses mal von dem Ehemann einer Mitarbeiterin: http://www.marktundmittelstand.de/themen/recht-steuern/kuendigungsgrund-beleidigung-facebook/
Warum macht man so was? Warum nimmt der Arbeitgeber solche unseriose Internetseiten wie F. so ernsthaft?