LG Berlin: Webseitenbetreiber kann für rechtsverletzende Inhalte aus fremden RSS-Feed in Anspruch genommen werden

Das Landgericht Berlin hat in einer aktuellen Entscheidung (Az. 27 O 190/10) festgestellt, dass ein Seitenbetreiber auch für die Inhalte verantwortlich gemacht werden kann, die er per RSS-Feed automatisiert in die eigene Webseite integriert.

Bei RSS-Feeds oder Atom-Feeds handelt es sich um Inhalte eines bestimmten Formats, die automatisch an die weitergeleitet werden, die den jeweiligen Feed abonniert haben. Über diese in den Sozialen Medien weit verbreitete Funktionalität können ohne großen technischen Aufwand auch fremde Inhalte (z.B. Newsticker oder Blogbeiträge) auf der eigenen Webseite eingebunden werden.

I. Der Sachverhalt

Im konkreten Fall vor dem LG Berlin sind (über einen solchen Newsfeed einer Zeitung) Inhalte auf der Webseite des Antragsgegners über eine angebliche Liebesaffäre veröffentlicht worden, die offensichtlich gegen die Persönlichkeitsrechte der in dem Artikel genannten Antragstellerin verstoßen haben.

Das Landgericht hatte nun zu entscheiden, ob die durch den Beitrag in ihren Rechten verletzte Antragstellerin auch vom Betreiber der Seite, der diese Inhalte „nur“ als RSS-Feed eingebunden hatte, Unterlassung verlangen kann.

II. Die Entscheidung des LG Berlin

Die Berliner Richter haben geurteilt, dass auch der Seitenbetreiber insoweit für die automatisch eingespeisten, rechtsverletzenden Inhalte haften muss. Er könne sich nicht auf die Haftungsprivilegierung für rechtsverletzende fremde Inhalte gemäß § 8 TMG berufen, da er als „Herr des Angebots“ anzusehen sei.

Nicht wirklich überraschend führte das LG Berlin hierzu aus:

Die Störerhaftung des Antragsgegners fu?r das Einstellen des rechtswidrigen Informationsblocks vom RSS-Channel der …-Zeitung auf seiner Internetseite ist vorliegend jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen zu bejahen. Als Störer i.S. von § 1004 BGB ist – ohne Ru?cksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft – jeder anzusehen, der die Störung herbeigefu?hrt hat. Als (Mit-)Störer kann auch jeder haften, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeifu?hrung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, wobei als Mitwirkung auch die Unterstützung oder die Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genu?gt, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte.

Durch die Integration des RSS-Feeds hat sich der Webseitenbetreiber nach Auffassung des LG Berlin die Inhalte zu eigen gemacht. Auch der lapidaren Hinweis auf den Ausschluss der Haftung für etwaige Feeds genügte den Richtern nicht um über die Annahme einer individuellen Distanzierung von der konkreten Meldung eine entsprechende Verantwortlichkeit zu verneinen.

III. Resumee

Für kundige Beobachter des Themenkomplexes „Haftung für fremde Inhalte“ kommt diese Entscheidung nicht wirklich überraschend. Legt man die bekannten Grundsätze der Mitstörerhaftung zugrunde ist diese Argumentation – auch wenn sie dem „Sharing“-Gedanken des Social Web zuwiderläuft – nur eine konsequente und zu erwartende Fortführung der bisherigen Rechtsprechungslinie.

Entscheidend ist hier, dass derjenige der über eine (weitere) Veröffentlichung an der jeweiligen Rechtsverletzung faktisch mitwirkt und damit eigentlich noch verstärkt, zwar nicht unmittelbar auf Schadenersatz, doch aber auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Wie das LG Berlin auch ausführt, kommt es bezüglich des Unterlassungsanspruchs auch nicht darauf an, ob der Webseitenbetreiber überhaupt Kenntnis von dem konkret rechtsverletzenden Inhalt hatte. Dies entspricht – auch wenn es als ungerecht empfunden werden mag – ebenfalls der in Deutschland geltenden Rechtslage.

Und natürlich ist der Fall, in dem „nur“ eine technische Plattform zur Veröffentlichung nutzergenerierter Beiträge (wie Youtube, Foren uvm.) zur Verfügung gestellt wird anders zu beurteilen, als wenn – wie hier – der Seitenbetreiber selbst die Entscheidung trifft, Inhalte über einen Feed zu beziehen und über die eigene Webseite zu veröffentlichen.

IV. Praxishinweise

Daraus folgt, dass bei der Wahl der Inhalte, die über Newsfeed eingebunden werden, die Anbieter sorgfältig und mit Bedacht auszuwählen sind. Wie man im diskutierten Fall sieht, ist man aber nicht einmal bei der Einbindung von Feeds einer Zeitung vor entsprechendem Unheil gefeit.

Interessant wäre noch die Frage, inwieweit denn der Anbieter des Newsfeeds (hier die Zeitung) für Schäden (wie Abmahnkosten u.a.) einstehen muss, die aus der Einbindung desselben bei Dritten (hier der in Anspruch genommene Webseitenbetreiber) entstehen. Das wird nicht unerheblich davon abhängen, unter welchen (Vertrags-)bedingungen der Newsfeedbetreiber die Einbindung des Feeds angeboten hat.

Je nach dem konkreten Einzelfall und der vertraglichen Abrede über den Newsfeed ist nicht auszuschließen, dass der Webseitenbetreiber bei dem Anbieter des Newsfeeds (als eigentlichem Störer) Rückgriff nehmen kann. Soweit die Möglichkeit besteht, mit dem Anbieter des Feeds zu verhandeln, kann es aus Sicht der einbindenden Seite Sinn machen, eine entsprechende Freistellungsvereinbarung für etwaige materielle Schäden aus den Feed-Inhalten zu treffen.

Abschließend noch ein Hinweis zu der (falschen) Reaktion des abgemahnten Seitenbetreibers im aktuellen Fall. Auf die Abmahnung hin, hat er zwar den rechtsverletzenden Text gelöscht, sich aber offensichtlich geweigert, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Damit ist es zumindest bei einer begründeten Abmahnung aber nicht getan, da das Begehen einer entsprechenden Rechtsverletzung eine sogenannte „Wiederholungsgefahr“ begründet, die nur durch eine vertragsstrafebewehrte Unterlassungsaerklärung ausgeräumt werden kann. Wenn eine solche Unterlassungserklärung nicht abgegeben wird, droht – wie im vorliegenden Fall – trotz Entfernung des rechtsverletzenden Inhaltes von der Webseite eine einstweilige Verfügung.

Zumindest bei nachvollziehbaren Abmahnungen ist deshalb dringend zu raten, neben der Entfernung der Rechtsverletzung auch noch innerhalb der gesetzten Frist eine (gegebenenfalls modifizierte) Unterlassungserklärung abzugeben. Das einstweilige Verfügungsverfahren (und die damit einhergehenden weiteren Kosten) hätten so im vorliegenden Fall wohl verhindert werden können.

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Da muss man wirklich jeden Post überprüfen oder RSS-Feeds ganz von der Seite streichen. Das ist langsam echt nicht mehr schön… Aber es ist nachvollziehbar. Na ja, harren wir der Dinge, die da kommen…

    LG

    • Rechtlich notwendig…gerde Seitenbetreiber, deren Feedsaktualität und -anzahl sehr hoch ist dürften hier am meisten zu leiden haben. Da werden sicherlich einige Seiten über kurz oder lang relaunched werden müssen!

  2. Hallo, danke für die Erläuterung!
    Wie sähe dann wohl ein Szenario aus, indem ein Seitenbetreiber mittels RSS-Feed auf ein strittiges Youtube-Video verweist? Wahrscheinlich genau das selbe?!

Trackbacks

  1. YouTube – A Portal to Media Literacy Recently Dr. Wesch spoke at the University of Manitoba where he explained the the basis of this video in a talk entitled, „Michael Wesch and the Future of Education.“ I found

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