Twitpic „verkauft“ Nutzerbilder an Vermarkter weiter

Der aktuelle Blogartikel von iRights und der entsprechende Beitrag bei Spiegel Online berichten über eine kürzliche Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Internetplattform Twitpic, die es den Betreibern nun ermöglichen soll, die Bilder, die die Nutzer hochladen, an Dritte zu übertragen und damit weiter zu verkaufen. Die von der Twitpic Inc. betriebene Plattform ermöglicht es angemeldeten Nutzern, eigene Bilder ohne großen technischen Aufwand hochzuladen und so in Echtzeit über Twitter zu verbreiten.

Bei den geschätzten 20 Millionen Nutzern kommt hier natürlich einiges an Material zusammen, was täglich über Twitpic oder Twitter verbreitet wird. Nun aber ist die Twitpic Inc. auf die Idee gekommen, direkt aus den nutzergenerierten Bildern weitergehendes Kapital zu schlagen. Ein Gedanke der bei vielen Plattformen, die mit nutzergenerierten Inhalten „arbeiten“, naheliegt, aber auch schon einige Male schief gegangen ist. Gerade bei Bildmaterial sind Nutzer nachvollziehbarerweise sensibel, was vermuten lässt, dass auch Twitpic aufgrund der vorgenommenen Änderung der Terms of Service nicht ganz ungeschoren davon kommt. Dabei sollte man dieses Geschäftsmodell nicht grundsärtlich „verteufeln“, weil es einige neue spannende Möglichkeiten eröffnet. Wichtig ist dabei aber, dass der Betreiber offen und transparent mit diesem Thema umgeht und nicht einfach ohne weitergehende Kommunikation die jeweiligen Nutzungsbedingungen der Plattform ändert.

Anlässlich des aktuellen Falles beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag mit den hier im Blog schon häufiger andiskutierten Fragen, wie eine entsprechende Einräumung an Nutzungsrechten rechtlich zu bewerten ist und ob entsprechende AGB ohne ausdrückliche Zustimmung einfach geändert werden können.I. Änderung der Terms of Service von Twitpic

Am 10.05.2011 hat Twitpic seine bis dato geltenden Terms of Service geändert und einige Ergänzungen vorgenommen, die in den aktuellen Nutzungsbedingungen eingesehen werden können.

Dort findet sich nun – neu eingefügt – unter anderem diese Klausel:

You retain all ownership rights to Content uploaded to Twitpic. However, by submitting Content to Twitpic, you hereby grant Twitpic a worldwide, non-exclusive, royalty-free, sublicenseable and transferable license to use, reproduce, distribute, prepare derivative works of, display, and perform the Content in connection with the Service and Twitpic’s (and its successors‘ and affiliates‘) business, including without limitation for promoting and redistributing part or all of the Service (and derivative works thereof) in any media formats and through any media channels.

Mit dieser Klausel sollen der Twitpic Inc sehr weitgehende Rechte zur Nutzung, aber auch zur Weitergabe der nutzergenerierten Bilder eingeräumt werden.

Wie der Spiegel berichtet, soll zunächst eine Agentur damit beauftragt werden, Fotos von Prominenten zu vermarkten. Im ersten Schritt wird dies wohl auch einige Prominente auf den Plan rufen, die ihre Fotos – wenn überhaupt – wohl selbst oder über ihre eigenen Agenturen vermarkten wollen. Da die oben stehende Klausel aber auch die (Weiter-)verwertung aller anderen Bilder bei Twitpic ermöglichen soll, wird dies wohl auch bei anderen Nutzer einen gewissen Widerstand hervorrufen.

II. Rechteeinräumung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Sofern Nutzungsbedingungen von den Plattformbetreibern vorformuliert sind und sämtliche Nutzer diese akzeptieren müssen, um den jeweiligen Service zu nutzen, sind diese juristisch als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu interpretieren, die im Gegensatz zu Individualverträgen spezifischen Grenzen unterliegen. Für die Kategorisierung als AGB ist es dabei unerheblich ob die jeweiligen Bedingungen Nutzungsbedingungen, Spielregeln, Terms of Service oder anderweitig heißen.

Im Grundsatz können sich Plattformbetreiber auch über AGB Nutzungsrechte an den eingestellten Inhalten einräumen. Was die reine Veröffentlichung im Internet anbetrifft, sollten sie dies sogar ausdrücklich regeln.

Soweit nämlich die jeweiligen Inhalte urheberrechtlichen Schutz genießen, dürfen sie – bis auf wenige Ausnahmen – nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Urhebers veröffentlicht, weitergegeben oder sonst wie genutzt werden. Fotos wie bei Twitpic sind nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) – unabhängig von ihrer Qualität oder einem etwaigen künstlerischen Anspruch – stets urheberrechtlich geschützt.

Da das Urheberrecht als solches nach deutschem Recht nicht übertragbar ist (§ 29 Satz 2 UrhG) bleibt dem Plattformbetreiber nur der Weg sich nach § 31 Abs. 1 UrhG vom Urheber entsprechende Nutzungsrechte einräumen zu lassen, die dann auch all das abdecken sollten, was der Plattformbetreiber mit den Inhalten zu tun beabsichtigt.

Formaljuristisch gesehen handelt es sich bei der Übertragung der Nutzungsrechte, die regelmäßig in den Nutzungsbedingungen der Seite erfolgt um einen Lizenzvertrag zwischen dem Urheber (sprich Lizenzgeber) und dem Plattformbetreiber (sprich Lizenznehmer). Die Lizenzbedingungen sollten dann eine Befugnis enthalten, das jeweilige Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen.
Twitpic lässt sich über die geänderte Klausel nun eine weltweite („world-wide“), kostenlose („royalty-free“), unterlizenzierbare und damit übertragbare („sublicenseable and transferable“) Nutzungslizenz an sämtlichen Bildern einräumen.

Die Frage nach der Reichweite der Rechteeinräumung stellt sich bei jeder Plattform, die die Möglichkeit zur Einstellung nutzergenerierter Inhalte bietet. In der Beratungspraxis empfehle ich dabei, dieses Thema ausgewogen und hinreichend transparent zu gestalten. Schlussendlich sind die Nutzer das Kapital solcher Plattformen. Einerseits ist die Rechteeinräumung zu einem gewissen Grad zur rechtlichen Absicherung zwingend erforderlich, andererseits bringen umfassende Rechteeinräumungen, vor allem wenn sie nachträglich integriert werden, immer wieder Ärger mit der angemeldeten Nutzerschaft. All dies sollten die Plattformbetreiber bedenken und von vorneherein auch in den Nutzungsbedingungen antizipieren (weiterführend dazu auch Verwertung von User Generated Content und Einräumung von Nutzungsrechten bei Facebook, Youtube &Co – Auswirkungen für Verbraucher und Unternehmen).

III. Zulässigkeit der Änderung der Terms of Service

Als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des BGB werden gemäß § 305 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen angesehen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.

AGB, die wirksam in einen Vertrag einbezogen wurden, können nachträglich geändert werden, wenn die Änderung den Anforderungen des § 305 Abs 2 BGB genügt.

Eine Änderung ist zunächst natürlich ohne weiteres möglich, indem der betroffene Nutzer (also jeder) der geänderten Fassung der AGB ausdrücklich zustimmt. Geänderte AGB gelten unabhängig davon natürlich gegenüber all den Nutzern, die sich nach der Änderung anmelden, da diese ja der neuen Fassung im Wege des oben genannten Opt-In zustimmen. Dies kann allerdings dazu führen, dass gegenüber verschiedenen Nutzern unterschiedliche Fassungen der jeweiligen AGB gelten.

Da die ausdrückliche Zustimmung aller Nutzer wenig praktikabel ist und natürlich auch die Geltung verschiedener Fassungen das Arbeiten nicht gerade erleichtert, sollten die AGB einen (wirksamen) Änderungsvorbehalt vorsehen. So kann man in die AGB ausdrücklich aufnehmen, dass eine Änderung nicht nur mit ausdrücklicher Zustimmung, sondern unter den nachfolgend aufgeführten erleichterten Voraussetzungen möglich sein soll.

Ein solcher Änderungsvorbehalt muss aber im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Interessen der angemeldeten Nutzer sachlich gerechtfertigt und so transparent sein, dass auch der Nutzer bei Vertragsschluss vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen mit einer Änderung der AGB zu rechnen ist. Für einen rechtswirksamen Änderungsvorbehalt ist es außerdem grundsätzlich notwendig, dass die Gründe unter denen eine AGB-Änderung zulässig sein soll, ausdrücklich genannt sind.

Die ursprünglichen Terms of Service sehen einen hinreichenden Änderungsvorbehalt nicht vor, was dazu führt, dass die Änderung der Nutzungsbedingungen nach deutschem Recht nur wirksam wäre, wenn jeder Nutzer der Änderung ausdrücklich zustimmt.

IV. Zusammenfassung

Auf Grundlage der oben stehenden Ausführungen, ist also davon auszugehen, dass die Änderung der AGB durch Twitpic unter Zugrundelegung deutschen Rechts als unwirksam anzusehen ist.

Ob im Verhältnis deutscher Nutzer zu der Twitpic Inc. trotz der Tatsache, dass deren Terms of Service die Geltung des Rechts des US-Staates Delaware vorsehen, deutsches Recht gilt bedarf einer weitergehenden Detailprüfung. Sollte aber auch insofern deutsches Recht anwendbar sein, wofür unter Verbraucherschutzgesichtspunkten einiges spricht, so sind die Änderungen deutschen Nutzern gegenüber wohl nicht wirksam. Damit wären auch die erweiterten Rechteeinräumungen, die die Twitpic Inc. in den neuen Terms of Service vorsieht, nicht wirksam vereinbart worden. Im Falle einer Weitervermarktung eines Bildes eines deutschen Nutzers könnte dieser also auf Grundlage der oben stehenden Ausführungen gegen diese wegen eines Urheberrechtsverstoßes vorgehen.

Klar ist unabhängig von der Frage nach der Anwendbarkeit deutschen Rechts, dass die oben stehenden Ausführungen für alle deutschen Internetplattformen gelten, von denen einige sicher nicht die skizzierten Anforderungen erfüllen. Plattformen, die mit nutzergenerierten Inhalten arbeiten, ist also zu raten, die Nutzungsbedingungen hinreichend transparent zu gestalten und notwendige Änderungen der AGB auch rechtswirksam auszugestalten.

Nachtrag 11.05.2011 10.45 Uhr:

Stefan Osswald hat mich gerade auf den instruktiven Artikel in dem geschätzten Blog von Christoph Kappes hingewiesen, der sich ebenfalls mit dem oben stehenden Thema beschäftigt. Ich gebe den dortigen Ausführungen insoweit recht, als dass die Beurteilung entsprechender Klauseln und der jeweiligen Hintergründe nicht immer ganz einfach ist und in solchen Fällen daher ausgewogen berichtet werden sollte. Dennoch ist offensichtlich, dass Twitpic mit der Änderung eine weitergehende Nutzung der eingestellten Bilder ermöglichen möchte. Das dies nicht hinreichend kommuniziert und erklärt wird, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Die Formulierung, dass auch Nutzungsrechte im Hinblick auf die „Geschäfte“ der Rechtsnachfolger und Affiliates („succesor and affiliate“) eingeräumt werden, deutet auch auf eine Weitergabe hin. Und schließlich fallen mir, auch wenn mein technische Konw-How beschränkt ist, einige Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. i-Frame) ein, mit denen Twitpic die Bilder auch im Rahmen des eigenen Service weitergeben könnte.

Weiterführend auch:
Verwertung von User Generated Content
Facebook ändert seine Terms of Service – Zulässigkeit der nachträglichen Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
Einräumung von Nutzungsrechten bei Facebook, Youtube &Co – Auswirkungen für Verbraucher und Unternehmen

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

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  1. […] hier bei Marcel Weiss, hier bei Netzpolitik , hier bei RA Schwenke, bei RA Nina Diercks und bei RA Carsten Ulbricht. Von mir gibt es dazu auch hier ein Interview und bei BILD.de (ggf. bitte nicht […]

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