Urteil des LG Berlin: Facebook Nutzungsbedingungen und Datenschutzerklärung teilweise rechtswidrig

Nach der heutigen Pressemeldung hat sich der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) vor dem LG Berlin mit einer Klage gegen die Facebook Ltd in Irland durchgesetzt. Diesbezüglich ist zu erwähnen, dass die irische Gesellschaft offiziell der Plattformbetreiber der deutschen Facebookseiten ist.

Bereits im Sommer 2009 hatt der vzbv einzelne Soziale Netzwerke wegen verschiedener Klauseln in deren Nutzungsbedingungen abgemahnt (siehe Hintergründe in dem Beitrag Verbraucherzentrale mahnt Soziale Netzwerke ab – Erste rechtliche Hintergründe zum Vorgehen gegen StudiVZ, XING & Co). Der vzbv hatte einzelne Vorwürfe von damals nun vor dem LG Berlin auch klageweise geltend gemacht.

Nun hat sich offenbar das LG Berlin mit seinem aktuellen Urteil vom 06.03.201 ( Az. 16 O 551/10) der Rechtsauffassung des vzbv zumindest teilweise angeschlossen und die irische Facebook Ltd als verantwortlichen Plattformbetreiber wegen verschiedener Verstösse zur Unterlassung verurteilt.

Die Pressemitteilung des vzbv führt dazu aus:

Das Gericht urteilte, die Nutzer müssten klar und deutlich informiert werden, dass durch den Freundefinder ihr gesamtes Adressbuch zu Facebook importiert und für Freundeseinladungen genutzt wird. Dies findet bislang nicht statt.

Zwar hat Facebook die Anwendung inzwischen leicht modifiziert, nach Auffassung des vzbv allerdings nicht ausreichend. „Dass man Facebook sein komplettes Adressbuch überlässt, ist nach wie vor nicht ohne Weiteres erkennbar“, kritisiert vzbv-Vorstand Gerd Billen.

Facebook darf Nutzerinhalte nur nach Zustimmung verwenden

Weiterhin urteilte das Gericht, Facebook dürfe sich in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ein umfassendes weltweites und kostenloses Nutzungsrecht an Inhalten einräumen lassen, die Facebook-Mitglieder in ihr Profil einstellen. Vielmehr bleiben die Mitglieder Urheber ihrer selbst komponierten Musiktitel oder eigenen Bilder. Facebook darf diese Werke nur nach Zustimmung der Nutzer verwenden.

Rechtswidrig ist nach Auffassung der Richter ferner die Einwilligungserklärung, mit der die Nutzer der Datenverarbeitung zu Werbezwecken zustimmen.

Zudem muss Facebook sicherstellen, dass es über Änderungen der Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen rechtzeitig informiert

Quelle: Pressemeldung des vzbv vom 06.03.2012

1. Inhalt und Bewertung des Urteils

a. Freundefinder
In dem Urteil geht es zuvorderst um die notwendie Transparenz, die nach deutschem Recht dadurch zu gewährleisten ist, dass Plattformbetreiber im Hinblick auf den Datenschutz umfassend über die Verwendung personenbezogener Daten aufklären und die notwendige Zustimmung der Betroffenen (sogenanntes Opt-In) einholen müssen.

Dass dies beim sogenannten Freundefinder, der bei der Anmeldung gegebenenfalls das gesamte Adressbuch bei Facebook importiert hat, nicht gegeben war, ist offensichtlich. Zudem ist mehr als fraglich, ob ein Nutzer der sich anmeldet, überhaupt über die Weitergabe der Daten seiner Kontakte aus dem Adressbuch „verfügen“ darf.b. Datenschutzrichtlinien
Neben dem Freundefinder hat das LG Berlin offensichtlich auch die Datenschutzrichtlinien als solche geprüft. Diesbezüglich kommen die Richter nach der Pressemeldung – nicht ganz überraschend – zu dem Ergebnis, dass diese notwendigen Vorgaben im deutschen Recht nicht genügen. Das deutsche Datenschutzrecht sieht vor, dass sehr umfassend und hinreichend transparent über die Datenverarbeitung aufgeklärt werden muss. Die zahlreichen Verklausulierungen, die sich in den Datenschutzrichtlinien von Facebook finden reichen hier natürlich nicht, weshalb nachfolgend auch im Falle einer Zustimmung keine hinreichende Einwilligungserklärung angenommen werden kann.

c. Einräumung von Nutzungsrechten bei Facebook
Desweiteren geht es in dem Urteil um die Frage, ob sich Facebook in seinen Nutzungsbedingungen, denen man bei der Anmeldung zustimmt (eigentlich ja zustimmen muss), umfassende weltweite und kostenlose Nutzungsrechte einräumen lassen kann.

In Nr. 2. der Erklärung der Rechte und Pflichten wird bei Facebook folgendes geregelt:

1.Für Inhalte wie Fotos und Videos („IP-Inhalte“), die unter die Rechte an geistigem Eigentum fallen, erteilst du uns durch deine Privatsphäre- und Anwendungseinstellungen die folgende Erlaubnis: Du gibst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz für die Nutzung jeglicher IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest („IP-Lizenz“). Diese IP-Lizenz endet, wenn du deine IP-Inhalte oder dein Konto löschst, außer deine Inhalte wurden mit anderen Nutzern geteilt und diese haben die Inhalte nicht gelöscht.

Unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung als „Nutzungsbedingungen“, „Terms of Service“ oder tatsächlich „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ stellen entsprechende Regularien sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne des Gesetzes (sprich §§ 305 ff. BGB) dar. Über die Zustimmung im Rahmen der Anmeldung auf der Plattform werden diese in das Vertragsverhältnis zwischen Plattformbetreiber und Nutzer einbezogen und damit zunächst einmal die Vertragsgrundlage, die das Rechtsverhältnis mit und auf der Plattform regelt.

Da aber solche AGB dem Nutzer quasi aufgezwungen werden („Friss oder stirb“), ohne dass er im Einzelnen darüber verhandeln könnte, sieht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) verschiedene Grenzen vor, die von AGB nicht überschritten werden dürfen. Wenn diese eben doch über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen, so sind die jeweiligen Klauseln unwirksam (bzw. in Einzelfällen sogar wettbewerbswidrig).

So werden in den §§ 305 ff. BGB unter anderem folgend Grenzen für AGB gezogen: Nach §?305c Abs. 1 BGB sind überraschende Klauseln – sprich Regelungen, die einen solchen Überrumpelungseffekt haben, dass der durchschnittliche Nutzer nicht mit ihnen zu rechnen braucht – unwirksam. Bei einigen der sehr weit reichenden Klauseln von Facebook lässt sich aus meiner Sicht gut vertreten, dass diese so überraschend sind, dass der Nutzer nicht mit solch weitgehenden Nutzungsrechten zu rechnen braucht, womit die jeweilige Klausel also unwirksam wäre. In entsprechenden Fällen könnte dieses Argument mit dem sogenannten Transparenzgebot des § 307 Abs.1 Satz 2 BGB gestützt werden.

Schließlich bleibt auch noch §?307 Abs. 1 BGB zu erwähnen, wonach Vertragsbestimmungen in AGB unwirksam sind, welche den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. In Anbetracht dessen, dass sich Facebook sehr weitgehend Nutzungsrechte einräumen lassen und als „Gegenleistung“ lediglich die kostenlose Nutzung der Plattform steht, wird teilweise in der juristischen Literatur angenommen, dass eine zu weit reichende Rechteeinräumung aufgrund eines Verstosses gegen das Benachteiligungsverbot zur Unwirksamkeit führt.

Auch dieses Thema und die rechtliche Bewertung ist hier im Blog bereits umfassend in dem Beitrag Einräumung von Nutzungsrechten bei Facebook, Youtube &Co – Auswirkungen für Verbraucher und Unternehmen dargestellt und bewertet worden.

Insofern kommt es nicht ganz überraschend, dass auch das LG Berlin eine entsprechende Klausel offensichtlich für unwirksam erklärt hat. Die Ausführungen in der oben genannten Pressemitteilung, dass die Mitglieder Urheber bleiben, ist etwas ungenau, da dies eigentlich nicht in Frage stand, sondern nur, ob entsprechend weit reichende Nutzungsrechte in solchen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eingeräumt werden können. Die Urheberstellung geht nach deutschem Recht ohnehin nie verloren (siehe § 29 Abs.1 UrhG).

2. Resumee

Ein interessantes Urteil, dass bei Vorliegen der genauen Urteilsgründe noch einmal genauer analysiert werden sollte.

Zentral wird dabei die Frage sein, inwieweit in entsprechenden Sachverhalten deutsches Recht überhaupt Anwendung findet. Ganz abwegig ist das nicht zuletzt deshalb, weil Facebook in den Nutzungsbedingungen in einer Sonderregelung für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland selbst die Anwendbarkeit deutschen Rechts vorsieht.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Facebook in Berufung geht. Nach Aussagen der Pressesprecherin will man die Urteilsgründe abwarten und dann entscheiden. Angesichts der relativ eindeutigen Sach- und Rechtslage dürfte es für Facebook aber nicht ganz einfach werden. Für eine abschließende Bewertung ist aber natürlich der Wortlaut des noch nicht veröffentlichten Urteils im Detail noch einmal zu betrachten.

Spannend ist die Angelegenheit aber natürlich auch, weil sich ähnliche Fragen auch im Hinblick auf die Nutzungsbedingungen und Datenschutzerklärung anderer Internetplattformen – wie z.B. die gearde zusammengeführten Datenschutzregelungen von Google – stellen.

UPDATE 07.03.2012 08.30 Uhr:
Einige Stimmen im Netz sind vor allem in Blogkommentaren der Ansicht, Facebook wäre bezüglich solcher Gerichtsentscheidungen ohnehin außer Reichweite und würde sich insoweit nicht wirklich an entsprechenden Urteilen stören. Diese Ansicht greift aber wohl etwas zu kurz…

Es ist davon auszugehen, dass Facebook wegen der oben skizzierten Punkte zur Unterlassung verurteilt worden ist. Vorausgesetzt Facebook erreicht in einer Rechtsmittelinstanz keine gänzlich andere Entscheidung (was ich für unwahrscheinlich halte) gibt es damit durchaus einige Durchsetzungsmöglichkeiten (z.B. Ordnungsgelder/Ordnungshaft nach § 890 ZPO), die unter Umständen etwas Zeit in Anspruch nehmen, dann aber durchaus auch bei Facebook irgendwann Wirkung hinterlassen werden. Eine Durchsetzung ist dabei unabhängig von der deutschen Niederlassung, die mit dem Betrieb der Plattform selbst wohl wenig zu tun hat, direkt gegen den Plattformbetreiber bzw. deren Geschäftsführer in Irland möglich.

Facebook wird die „Umsetzung“ des Urteils natürlich so lange herauszögern, wie irgend möglich. Dafür gibt es zivilprozessual auch einige Möglichkeiten, angefangen natürlich von der Option einer Berufung. Mittelfristig wird sich Facebook nicht nur wegen den oben skizzierten Durchsetzungsmöglichkeiten, sondern auch im Hinblick auf deren Stellung in Europa schon mehr an dem Rechtsrahmen orientieren müssen, der in Deutschland aber auch in einigen anderen europäischen Jurisdiktionen nun einmal gilt.

Teilweise geht es ja „nur“ um mehr Transparenz und die Modifikation einzelner Klauseln der Nutzungsbedingungen. Das lässt sich aus meiner Sicht in einigen Bereichen auch umsetzen, ohne das Geschäftsmodell oder die Funktionalität grundsätzlich in Frage zu stellen. Denkbar wäre sogar ein „deutscher Sonderweg“, indem man – wie ja jetzt auch schon in den Sonderregelung für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland – in den Erklärung der Rechte und Pflichten geänderte Klauseln für deutsche Nutzer integriert.

Weiterführend:
Einräumung von Nutzungsrechten bei Facebook, Youtube &Co – Auswirkungen für Verbraucher und Unternehmen
Verbraucherzentrale mahnt Soziale Netzwerke ab – Erste rechtliche Hintergründe zum Vorgehen gegen StudiVZ, XING & Co

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Comments

  1. Ich rechne damit, dass Facebook versuchen wird, das auf die sehr lange Bank schieben wird, weil sie zum einen die Software sicher nicht so einfach ändern können (es betrifft ja Kernfunktionen) und weil sie den Usern nicht die Wahrheit zeigen wollen (weil das abschreckt).

    Und vielleicht wird Facebook es einfach ignorieren.

    • Vielen Dank für den Kommentar.

      Klar ist zunächst, dass Facebook natürlich die „Umsetzung“ des Urteils so lange herauszögern wird, wie irgend möglich. Da gibt es zivilprozessual einige Möglichkeiten, angefangen natürlich von der Option einer Berufung.

      Entgegen einiger Kommentare im Internet (a la Facebook ist ohnehin außerdem Reichweite) wird sich Facebook den Folgen jedoch nicht gänzlich entziehen können.

      Vorausgesetzt Facebook erreicht in einer Rechtsmittelinstanz keine gänzlich andere Entscheidung (was ich für unwahrscheinlich halte) gibt es schon einige Durchsetzungsmöglichkeiten (z.B. Ordnungsgelder/ordnungshaft)., die zwar etwas Zeit in Anspruch nehmen, dann aber auch Facebook irgendwann „weh tun“.

      Mittelfristig wird sich Facebook also schon mehr an dem Rechtsrahmen orientieren müssen, der in Deutschland aber auch in einigen anderen europäischen Jurisdiktionen nun einmal gilt.

      Teilweise geht es ja „nur“ um mehr Transparenz und die Modifikation einzelner Klauseln der Nutzungsbedingungen. Das lässt sich aus meiner Sicht in einigen Bereichen auch umsetzen ohne das Geschäftsmodell oder die Funktionalität grundsätzlich in Frage zu stellen

      • Anonym says:

        Die Entscheidung wirft für mich insbesondere zwei Fragen auf:
        – kann sie auf die aktuelle Ausgestaltung des Adressbuchimports übertragen werden (Nutzer wählt aus, ob und an wen Einladungen versandt werden) oder kann diese eher als möglicherweise weniger problematische „tell a friend“ Funktion eingeordnet werden?
        – Ist berücksichtigt worden, dass für deutsche Nutzer die IP-Lizenz auf den Umfang beschränkt ist, der für die Verwendung auf oder in Verbindung mit Facebook erforderlich ist (Sonderregelungen für Nutzer in Deuschland)?

        • Carsten Ulbricht says:

          Zur Beantwortung dieser Fragen reichen die vorliegenden Informationen sicher nicht aus.

          Diesbezüglich wird man die Veröffentlichung der genauen Urteilsgründe abwarten müssen.

Trackbacks

  1. […] Landgericht Berlin teilte allerdings 2010 freundlich mit, dass in Deutschland deutsches Recht anzuwenden sei und auch […]

  2. […] Dabei sei darauf hingewiesen, dass diese Nutzungsbedingungen nach deutschem Recht als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne des § 305 BGB zu werten sind, was dazu führen kann, dass verschiedene Klauseln – gerade gegenüber Verbrauchern – als unwirksam anzusehen sind. So hatte das Landgericht Berlin bereits in 2012 einzelne Klauseln aus den Nutzungsbedingungen (z.B. bezüglich der Rechteeinräumung an Inhalten der Nutzer) und der Datenschutzerklärung von Facebook für rechtswidrig und damit für unwirksam erklärt (vgl. Urteil des LG Berlin: Facebook Nutzungsbedingungen und Datenschutzerklärung teilweise rechtswidrig)… […]

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