Freebooting verletzt Urheberrecht – Uploader und Facebook verdienen an illegalem Content

Die Bedeutung von Videos im Internet nimmt ständig zu. Facebook hat dies erkannt und fördert seit einiger Zeit bewußt den direkten Upload von Videoinhalten auf der eigenen Plattform.

Solche sogenannten „nativen Videos“ werden auf Facebook mit verschiedenen Maßnahmen (z.B. automatischer Start) technisch gegenüber Videos von Youtube oder anderen Plattformen, die auf Facebook nur technisch eingebunden sind (sog. „embedded links“), bevorzugt.

Erst kürzlich hat Facebook verkündet, man zeige täglich 4 Milliarden Videos und spiele damit in einer Liga mit Youtube . Aktuell schmälert eine Diskussion um das sogenannte „Freebooting“ allerdings die entsprechenden Erfolgsmeldungen. Tatsächlich häufen sich die Fälle, in denen Videos, die vom jeweiligen Urheber auf Youtube eingestellt worden sind, nun von Dritten neu auf Facebook hochgeladen werden. Das schadet nicht nur den Erstellern der originären Inhalten, denen dadurch teils erhebliche Werbeeinnahmen entgehen, sondern nutzt den „Freebootern“ und schlussendlich auch Facebook, indem zahlreiche neue Videos auf der eigenen Plattform entstehen und damit die Videoviews und die (Werbe-)Reichweite steigt.

Diese Entwicklung, die in den USA bereits zu erheblichem wirtschaftlichen Schaden der Hersteller und Urheber bekannter und beliebter Videos geführt hat, wird in Zukunft auch in Deutschland immer mehr zum Thema werden. Nach dem sich Text- und Bilderklau schon weit verbreitet haben, wird nun die illegale Übernahme von Videos im Internet immer mehr zum Thema.

I. Hintergrund des Freebooting

Beim sogenannten Freebooting „zieht“ sich ein unberechtigter Dritter ein (häufig gesehenes) Video von Youtube auf seine Festplatte und lädt es neu bei Facebook hoch. Dem originären Urheber, der bei Youtube bei entsprechenden Klickzahlen seiner Videos an den Werbeeinanhmen partizipert, entgehen so die weiteren Einnahmen, die ihm sonst durch zahlreiche weitere Views bei Facebook zugute gekommen wären.Freebooting Urheberrecht Youtube Facebook UrhG

Bei bekannten Youtubern aus den USA und zunehmend auch in Deutschland reden wir hier über substantielle wirtschaftliche Schäden, die den Contenterstellern durch Freebooting entstehen. Nach einem kürzlichen Bericht von Ogilvy und Tubular Labs haben von 1000 der bekanntesten Videos 725 „freebooted videos“ allein im ersten Quartal 2015 zu einem Schaden von etwa 17 Milliarden Dollar (!!!) geführt.

Und es kommt noch schlimmer:

Facebook treibt die Möglichkeiten der Monetarisierung von nutzergenerierten Inhalten gerade bei Videos natürlich weiter voran. Wie in den USA wird man auch in Europa auf Facebook bei erfolgreichen Inhalten bald an den Werbeeinnnahmen partizipieren können. Das bedeutet also, dass Freebooter nicht nur Werbeeeinahmen der Urheber verhindern, sondern bei hohen Klickzahlen der fremden Videos „mitverdienen“.

Dies führt dazu, dass Freebooting für den illegalen Uploader ein durchaus „interessantes“ Geschäftsmodell sein kann.

In den USA wird zunehmend der Verdacht laut, dass Facebook derzeit nicht wirklich nachhaltig gegen Freebooting vorgeht , weil dieses Phänomen der Zahl der „nativen Videos“ bei Facebook, der Zahl der Videoviews und damit schlussendlich der eigenen Vermarktung von Facebook ja nur nützt (weiterführend auch der Beitrag bei mobilegeeks mit vielen guten Beispielen).

II. Urheberrechtliche Einschätzung

Während sich viele urheberrechtliche Fragen im modernen Internet als zunehmend komplizierter darstellen, gibt es beim Freebooting rechtlich nicht zu viele offene Fragen.

Wer fremde Inhalte im Internet hochlädt, ohne vom Rechteinhaber dazu berechtigt worden zu sein, verletzt dessen Urheberrecht. Während die Contentersteller durch den Upload bei Youtube in der Regel Rechte zum „Embedding“ einräumen, umfasst dieses Nutzungsrecht natürlich nicht den Upload durch Dritte auf anderen Videoplattformen (wie hier Facebook).

Der Urheber hat in diesen Fällen Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadenersatzansprüche. Für deutsche Urheber gilt das deutsche Recht übrigens auch gegenüber ausländischen Freebootern.

Da die urheberrechtsverletzenden Uploader über die Verwendung von Pseudonymen aber häufig nur schwer zu identifizieren sind, stellt sich in den genannten Konstellationen natürlich die Frage nach der rechtlichen Verantwortlichkeit von Facebook.

Wie schon oft auf diesem Blog erläutert, haftet Facebook für nutzergenerierte Inhalte (hier die rechtsverletzenden Videos) gemäß § 10 TMG nur auf Grundlage des sogenannten „notice-and-takedown“-Grundsatzes. Da Facebook urheberrechtsverletzende Videos nicht ohne weiteres identifizieren kann, ist Facebook für die Urheberrechtsverletzungen der Nutzer verantwortlich, wenn man als Betreiber das jeweilige Video auf Grundlage einer eindeutigen Meldung des Rechteverstoßes nicht löscht. Zur Integration dieses „notice-and-takedown“ Grundsatzes hält Facebook verschiedene Meldeprozeduren vor.

Der Beitrag Theft, Lies, and Facebook Video, der die aktuelle Diskussion entfacht hat, berichtet, dass Facebook auf entsprechende Meldungen über die Formulare die jeweiligen Videos nur manchmal bzw. nach einer gewissen Zeit löscht. Unserer Erfahrung nach führen anwaltliche Schreiben als weiterer Eskalationsschritt auch bei Facebook in der Regel zu zeitnahen Löschungen rechtsverletzender Inhalte.

Nach deutschem Recht wird man bei dieser Konstellation aber auch über ein „Zu-Eigenmachen“ der Videos durch Facebook nachdenken können. In seiner Entscheidung zur Plattform Chefkoch.de hatte der Bundesgerichtshof BGH vom 12.11.2009, Az. I ZR 166/07.entschieden, dass eine direkte Haftung des Plattformbetreibers für urheberrechtsverletzende Inhalte anzunehmen ist, wenn sich dieser die fremden Inhalte (z.B. über weitreichende Nutzungsrechte in den AGB, wirtschaftliche Partizipation an den Inhalten) zu eigen macht (siehe zu den rechtlichen Hintergründen auch mein damaliger Blogbeitrag).

Da diese Voraussetzungen wohl auch bei Facebook zutreffen, lässt sich aus meiner Sicht spätestens bei einer weitergehenden Vermarktung der Inhalte gut argumentieren, dass Facebook beim „Freebooting“ direkt für die Urheberrechtsverletzungen (mit-)verantwortlich gemacht werden kann. Hier wird möglicherweise die Zukunft zeigen, ob die Gerichte diese Auffassung teilen.

III. Handlungsmöglichkeiten der Urheber

Urheber, die sehen, dass ihre Inhalte Im Internet verwendet werden, ohne dass entsprechende Nutzungsrechte eingeräumt worden sind, sollten sich zunächst an denjenigen wenden, der die Inhalte eingestellt hat. Ist dies aus Unwissenheit geschehen, kann auch ein „freundlicher“ Hinweis auf die Urheberrechte ausreichen.

Steckt jedoch Absicht oder kommerzielle Interessen hinter der Verwendung der Inhalte oder weigert sich der Uploader die Inhalte zu löschen, ist eine urheberrechtliche Abmahnung nicht nur legitim, sondern auch nachvollziehbar. Im Rahmen einer Abmahnung kann übrigens auch Auskunft verlangt werden, welche Umsätze mit der Urheberrechtsverletzung erzielt werden konnten.

Auf dieser Grundlage kann der Urheber nicht nur sein Unterlassungsansprüche durchsetzen, sondern auch Schadenersatz und Erstattung der Abmahnkosten verlangen.

Kann der Rechteverletzer nicht identifiziert werden, bleibt dem Urheber zunächst nur die Möglichkeit Schadensbegrenzung zu betreiben, indem das „gerippte“ eigene Video von Facebook gelöscht wird. Hier erscheint es zunächst sinnvoll, die Urheberrechtsverletzung über die spezifischen Meldeformulare bei Facebook anzuzeigen.

Löscht Facebook nicht zeitnah, bietet ein anwaltliches Schreiben den nächsten Eskalationsschritt. Da Facebook bei einer hinreichenden Meldung ja bereits Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung hat, könnte Facebook aufgrund der Mißachtung des „notice-and-takedown“-Grundsatzes direkt für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich gemacht und kostenpflichtig abgemahnt werden.

Bei fortgesetzter Weigerung von Facebook kann auch nach deutschem Urheberrecht in Deutschland eine einstweilige Verfügung oder eine Klage eingereicht werden.

IV. Praxisempfehlungen Freebooting und Urheberrecht

Kreativen und Erstellern von werthaltigen Inhalten müssen die unerlaubte Verwendung ihrer Inhalte nicht hinzunehmen. Natürlich sollten die Urheber ihre Rechte gerade im Internet, in dem auch der unbedarfte Nutzer allzu schnell mit dem Urheberrecht in Konflikt kommt, mit Augenmaß geltend machen und durchsetzen.

Phänomene wie das Freebooting zeigen aber, dass es im Internet um Inhalte, Reichweite und um viel Geld geht. Gerade in solchen Fällen ist die Durchsetzung von Urheberrechten nicht nur möglich, sondern auch legitim.

Urheber sollten bei Freebooting also parallel direkt gegen den Verursacher vorgehen und versuchen, über den jeweiligen Plattformbetreiber eine schnelle Löschung zu erreichen. Zum besseren Nachweis bzw. auch um (zu) einfaches Freebooting ein bißchen zu erschweren, kann es Sinn machen, einen Urheberrechtshinweis in den eigenen Videos aufzunehmen. Gerade wenn beim Freebooter und/oder bei Facebook über den Contentklau auch Umsätze erzielt werden, sollte auch die Geltendmachung von Schadenersatz erwogen werden. Spannend wird sein, ob man neben dem Freebooter zukünftig auch die mitverdienenden Plattformen hierfür rechtlich in Anspruch nehmen kann.

Um das noch einmal klar zu differenzieren: Im Gegensatz zum Teilen von Inhalten (Sharing) und dem technischen Einbinden (Embedding) von Inhalten ist der eigene Upload von fremden Inhalten (z.B. Bilder, Audio- und Videoinhalten) ein klarer Urheberrechtsverstoß.

Unterstützenswert ist in diesem Zusammenhang auch die sich an alle Internetnutzer richtende Initiative, die Ersteller von eigenen, kreativen Inhalten zu unterstützen, indem man Inhalte bei offensichtlichem Freebooting nicht teilt, sondern

1. den originären Contentersteller informiert und/oder
2. eher die Originalquelle teilt

Aufgrund des enormen Schadens den Freebooting für die Erstellung von Videos und anderen Inhalten und damit die Kreativität im Internet darstellt, sollte das Phänomen weiter bekannt gemacht werden. Diese Übersicht zeigt, wie bewußte Nutzer mit Freebooting umgehen sollten.

Spannend wird in Zukunft auch die weitere Auseinandersetzung von Youtube und Facebook. Ich halte es auch für durchaus wahrscheinlich, dass in den USA einer der Contentersteller aufgrund von „freebooted videos“ – wie seinerzeit VIACOM gegen Youtube – direkt gegen Facebook vorgeht. Gerade wenn Facebook im Einzelfall an Contentklau „mitverdient“ dürften auch in Deutschland die Erfolgsaussichten eines Vorgehens gegen den Freebooter wie auch Facebook nicht schlecht sein.

Weiterführend:

Haftung für User Generated Content – Grundsätze und Hinweise für die Praxis

Urheberrechtliche Abmahnung wegen Facebook Sharing verursacht (irrtümliche) Panikwelle – Der Versuch einer rechtlichen Aufklärung

Wichtige Entscheidung des EuGH: Einbettung (Embedding) von Youtube Videos ist keine Urheberrechtsverletzung

 

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. …interessant!
    Für gut befunden und geteilt…

    Gruß
    Miladin

  2. Regelmäßig tritt in diesem Zusammenhang auch in Erscheinung der Videohoster dailymotion. Die Meldung von Urheberrechtsverstößen ist dort besonders benutzerunfreundlich. Zudem werden entspr. Videos regelmäßig von neuen anderen accounts wieder hochgeladen, die dann wieder umständlich erneut beanstandet werden müssen.

    Tipp: Ändern Sie die Schriftfarbe in diesem Kommentarfeld. Graue Schrift auf grauem Hintergrund erschwert das Schreiben eines Kommentars.

    MfG
    Synapsenkitzler

Trackbacks

  1. […] mehr über den rechtlichen Hintergrund des Freebootings wissen wollt, schaut bitte unbedingt bei rechtzweinull.de vorbei, denn auch dort bekommt ihr Tipps, wie ihr als betroffene Person vorgehen […]

Speak Your Mind

*

Sicherheitsfrage *