Gefährliches Teilen ? – Haftungsrisiken beim Sharing über Facebook, Google Plus & Co (Teil 2 Persönlichkeitsrecht & Wettbewerbsrecht)

Nachdem im ersten Teil dieser Beitragsreihe die urheberrechtlichen Fragestellungen erläutert worden sind, soll nachfolgend dargestellt werden, inwieweit den Nutzer, der einen Inhalte über die zahlreichen „Sharing-Funktionen“ wie Facebook, Google Plus & Co teilt, eine rechtliche Verantwortlichkeit für die jeweiligen geteilten Aussagen selbst treffen kann.

Auch insofern ist der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, dass mit dem Teilen fremder Aussagen (z.B. bei Beleidigungen) unter bestimmten Voraussetzungen auch für den Teilenden das Risiko einer rechtlichen Verantwortlickeit einhergehen kann, wenn die ursprüngliche Aussage selbst Rechte Dritter verletzten. Bei nüchterner Betrachtung ist es zunächst einmal auch grundsätzlich nachvollziehbar, dass z.B. mit der Weiterverbreitung unwahrer, rufschädigender Äußerungen auch der (Ruf-)schaden grösser wird. Insoweit kann sich der „teilende“ Nutzer allein mit dem Hinweis, die Aussage käme ja nicht von ihm, nicht gänzlich aus der Verantwortung flüchten.

Die Frage der sogenannten Verbreiterhaftung ist im Bereich der „alten Medien“ nichts Neues, weshalb diesbezüglich einiges an Rechtsprechung existiert (vgl. BGH Urteil vom 6. 4. 1976, BGHZ 66,182 (190 f.)). Es ist nur logisch, dass sich diese Frage in den Sozialen Medien, in denen eben nun jeder Internetnutzer in der Lage ist, eigene Inhalte zu publizieren und eben auch fremde Inhalte zu „sharen“, fortsetzt.

Insoweit ist für jeden Nutzer von Social Media nun relevant geworden, wann ihn durch das Teilen von Inhalten auch eine rechtliche Verantwortlichkeit für die fremden Aussagen treffen kann.

I. Grundsätze der Linkhaftung

Die Gerichte werden bei entsprechenden Fragen derzeit wohl die Grundsätze der Linkhaftung zugrunde legen. Trotz offensichtlichem Regelungsbedarf wurde bei der Einführung des Telemediengesetzes (TMG) keine gesetzliche Regelung zur Frage der Haftung für Links aufgenommen. Demgemäß sind die Grundsätze heranzuziehen, die im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung von einzelnen Gerichten entwickelt worden sind.

Die Gerichte gehen bei Links auf fremde Inhalte, davon aus, dass auch der Linksetzende zur Unterlassung verpflichtet werden kann, wenn er sich die fremde Aussage „zu eigen“ gemacht hat. Entscheidend ist also, in welchem Kontext der Linksetzende den Link gestellt hat.

Wer beispielweise bei Facebook einen Inhalt teilt und mit einem Kommentar wie „Schaut mal hier, wie interessant“ versieht, kann wegen eines „Zu-Eigenmachens“ gegebenenfalls selbst in Anspruch genommen werden, wenn der verlinkte Inhalt Rechte Dritter verletzt (vgl. auch LG Frankfurt Az. 3-08 O 46/10 bzw. Linkhaftung bei Twitter)

Umgekehrt wird man eine Verantwortlichkeit für denselben Link verneinen müssen, wenn sich der teilende Nutzer durch seinen eigenen Kommentar zum geteilten Inhalt von diesem distanziert. Der Kommentar „Schaut mal hier, wie abwegig“, wird in der Regel aus einem Haftungsrisiko herausführen.

Auch wenn diese Grundsätze der Linkhaftung, die wohl auf Fragen der rechtliche Verantwortlichkeit beim „Sharing“ übertragen werden müssen, zu einigen Unwägbarkeiten führt, hat man sich derzeit bei einer rechtlichen Betrachtung der Risiken daran zu orientieren.

Dies zeigen auch einige Urteile bei denen vergleichbare Fragen zu entscheiden waren.

So wurde vom LG Berlin (Urteil vom 27.04.2010, Az. 27 O 190/10) eine Verantwortlichkeit einer Webseite angenommen, weil sie einen fremden RSS-Feed eingebunden hatte, in dem der Klägerin unterstellt worden war, mit einem bekannten Basketballer ein Verhältnis gehabt zu haben. Der Webseitenbetreiber habe sich – laut LG Berlin – mit der Einbindung des RSS-Feed auch dessen Inhalte zu eigen gemacht und könne sich nun nicht darauf berufen, dass er die Aussagen nicht selbst getätigt habe.

Im Einzelnen führt das LG Berlin dazu aus:

Vielmehr hat er als “Herr des Angebots” die von …de abonnierten RSS-Feeds eingestellt. Damit hat er sich die beanstandete Nachricht, mag diese auch von einem von ihm benannten Presseorgan verfasst worden sein, zu eigen gemacht und seinem Angebot hinzugefügt. Mag dem durchschnittlichen Nutzer der Internetseite auch nicht verschlossen geblieben sein, dass die Mitteilung von “rss…de” verfasst worden ist, hat der Antragsgegner jene jedoch – ohne jegliche Prüfung vor der Freischaltung des Beitrags – veröffentlicht. Mit dem lapidaren Hinweis auf seinen Haftungsausschluss vermag er sich von den übernommenen RSS-Feeds nicht ernsthaft zu distanzieren. Dass er als Betreiber des offenen Portals sehr wohl Einfluss auf den Inhalt der Beiträge nehmen kann, stellt er selbst nicht in Abrede. Es ist davon auszugehen, dass er die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der rechtswidrigen Handlung hatte.

Die dort ausgeführten Grundsätze, die die Berliner Richter einen Unterlassungsanspruch für begründet hielten, lassen sich entsprechend auf die Frage der Verantwortlichkeit im Falle des Teilens von rechtsverletzenden Aussagen übertragen.

Im Zusammenhang mit dem Thema Linkhaftung hat das sogenannte „AnyDVD“-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, 14.10.2010 – I ZR 191/08) einige grundlegende Fragen neu bewertet. In diesem Verfahren wurde entschieden, dass auch der streitgegenständliche Link, der integrativer Bestandteil der Berichterstattung eines Berichtes des heise-Verlages war, von der Meinungs- bzw. Pressefreiheit geschützt sei. Es ist nach meiner Auffassung nicht davon auszugehen, dass diese Grundsätze allgemein auch auf das Teilen von Inhalten übertragen werden können, wenn der geteilte Inhalt selbst Rechte Dritter verletzt.

Vorbehaltlich der weiteren Entwicklung in der Rechtsprechung, ist im Hinblick auf das Sharing deshalb regelmäßig von den oben stehenden Grundsätzen des „Zu-Eigen-Machens“ auszugehen.

II. Rechtsverletzung des Ausgangsbeitrages

Eine Inanspruchnahme des teilenden Nutzers wegen eines Zu-Eigenmachens der Aussagen eines Dritten, kommt freilich immer nur dann in Frage, wenn der geteilte Inhalte tatsächlich die Rechte Dritter verletzt.

In diesem Zusammenhang sind Verletzungen ganz verschiedener Rechtsgüter denkbar. Neben den oben stehende Beispielen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen (wie Beleidigungen oder unzulässigen Rufschädigungen) oder Wettbewerbsrechtsverstößen kommen auch Verletzungen von Datenschutzrechten in Betracht. Denkbar ist auch, dass die Weiterverbreitung von falschen Aussagen über Produkte oder Unternehmen als unzulässiger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder sogar als Markenverletzung gewertet wird.

Wer entsprechend rechtsverletzende Inhalte teilt, kann nach Maßgabe der obenstehenden Grundsätze zur Linkhaftung, d.h. im Falle eines „Zu-Eichen-Machens“ zumindest auf Unterlassung in Anspruch genommen und damit auch kostenpflichtig abgemahnt werden.

Auch wenn sich etwaige rechtliche Maßnahmen in der Regel erst einmal gegen den ursprünglichen Poster richten, sind durchaus Fallgestaltungen denkbar, in denen der (oder die) teilenden Nutzer in den Fokus geraten. So zum Beispiel wenn der ursprüngliche Autor im Ausland sitzt und daher schwer „zu greifen“ ist oder wenn gerade der geteilte Inhalt bei spezifischen Suchworten entsprechend gut bei Google & Co gelistet ist. Gerade im letzten Fall wird derjenige, dessen Rechte verletzt sind, ein gesteigertes Interesse haben, auch gegen den Nutzer vorzugehen, der den Inhalt geteilt hat.

So auch in einem aktuellen Fall, in dem ich den als PR-Blogger bekannten Klaus Eck – der mir erlaubt hat, die Angelegenheit hier zu skizzieren – vertreten habe. Klaus Eck hatte bereits im Jahr 2010 über Google Buzz einen Blogbeitrag eines ebenfalls nicht ganz unbekannten Journalisten geteilt. In dem satirischen Originalbeitrag war eine Dame genannt worden, die in einer – aus Ihrer Sicht – missverständlichen Bezeichnung ihrer offiziellen Funktion, eine Identitätsverwirrung und damit eine Verletzung ihres Rechts am eigenen Namen (§ 823 BGB) gesehen hat. Für das Teilen auf Google Buzz (heute in Google Plus) dieses Beitrags war Klaus Eck abgemahnt und zur Zahlung der entstandenen Anwaltskosten aufgefordert worden.

Ohne zu detailliert auf die Einzelheiten des Falles eingehen zu wollen, konnte die Abmahnung ohne Erstattung der Kosten mit der Argumentation abgewehrt werden, dass es im Hinblick auf die satirische Gestaltung bereits an der Rechtswidrigkeit des Ausgangsbeitrages fehle und vorliegend aufgrund der Umstände des Einzelfalles auch nicht von einem „Zu-Eigenmachen“ ausgegangen werden könne. Die Gegenseite hat auf unsere nachdrückliche Forderung, der die skizzierte Argumentation zugrundegelegt worden ist, nunmehr auch ausdrücklich die weitere Verfolgung der geltend gemachten Ansprüche gegen unseren Mandanten aufgegeben.

Dieser Fall zeigt, dass Ansprüche immer nur dann vorliegen, wenn a) der Ausgangsbeitrag rechtswidrig ist und b) ein Zu-Eigenmachen vorliegt.

Gerade bei der Frage, ob ein Zu-Eigenmachen vorliegt oder eben nicht, hilft es, wenn auch der jeweils beratende Rechtsanwalt die Funktionalitäten des jeweiligen Social Media Dienstes versteht und in der Lage ist, mit entsprechenden technischen Details zu argumentieren. Im vorliegenden Fall hat die bessers Kenntnis von Google Buzz bei der Verteidigung gegen die Ansprüche nachhaltig geholfen…

III. Fazit und Praxistipps

Wer rechtsverletzende Inhalte über Facebook, Google Plus & Co teilt, kann abgemahnt werden, wenn er sich die jeweilige Aussage des Dritten „zu eigen“ gemacht hat. Bei der Frage, ob ein „Zu-Eigenmachen“ vorliegt, wird man regelmäßig auf die Umstände des Einzelfalles, vor allem auf den Kontext abstellen müssen, in dem das „Sharing“ steht.

Wer entsprechende (Abmahn-)risiken vermeiden will, sollte darauf achten, keine Inhalte zu teilen, die Rechte Dritter verletzen (könnten). Insoweit lohnt es den Haftungsaspekt vor dem „zu schnellen Teilen“ kritischer Inhalte zu reflektieren.

Noch mehr Sicherheit böte die Aufnahme eines Hinweises, der eine individuelle Distanzierung von dem Inhalt des geteilten Beitrages zum Ausdruck bringt. Eine pauschale Distanzierung, so wie man sie im Hinblick auf die allgemeine Linkhaftung im jeweiligen Disclaimer vieler Webseiten sieht, wird allerdings nicht nützen. Es wird stets darauf ankommen, inwieweit sich der teilende Nutzer im Hinblick auf den individuellen geteilten Inhalt diesen „zu-eigen-macht“, bzw sich davon distanziert.

Mit einem gewissen Bewusstsein für diese Risiken und die im letzten Beitrag dargestellten urheberrechtlichen Fragen beim „Sharing“ bzw. die jeweils skizzierten Praxishinweise kann man sicher weiter spannende Inhalte teilen. Wie gesagt, ist das Risiko einer Inanspruchnahme derzeit ohnehin überschaubar, weil die Geltendmachung entsprechender Ansprüche gegen den „Sharer“ derzeit eher die Ausnahme sind.

Wer die dargestellten Grundsätze kennt, kann aber sicher bewusster und sicherer mit Möglichkeiten von Social Media umgehen. Die gleichen Grundsätze sind übrigens auch bei den diversen Kuratierungsplattformen wie scoop.it, Storify & Co zugrunde zu legen (vgl. auch meinen Kommentar im Artikel des Stern über entsprechende Kuratierungsdienste).

Die Erfahrung zeigt insgesamt, dass für den Umgang mit Social Media eine gewisse Medienkompetenz erforderlich ist, die eben auch eine gewisse Kenntnis der (urheber-)rechtlichen Implikationen beinhaltet.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer kommunikativer aber auch rechtlicher Aspekte, die Unternehmen aber auch deren Mitarbeiter bewußt gemacht werden sollten, wenn sie in den Sozialen Medien aktiv werden. Sogenannte Social Media Richtlinien (oft auch als Guidelines oder Policy bezeichnet), die derzeit von zahlreichen Unternehmen in Deutschland als Leitplanken für ihre Mitarbeiter eingeführt werden, sind in diesem Zusammenhang sicherlich ein sinnvolles Werkzeug um über die notwendige Sensibilisierung einen (rechts-)sichereren Umgang mit den Sozialen Medien zu erreichen und so schlussendlich das Unternehmen aber auch die eigenen Mitarbeiter vor bestehenden Risiken zu bewahren.

Update 18.01.2013: In meinem aktuellen Beitrag „Social Media Sharing Policy“ habe ich die wesentlichen rechtlichen „Stolpersteine“ beim Teilen in Sozialen Netzwerken aufgeführt und im Rahmen einer Ampel-Systematik (sog. „Sharing-Ampel“) nach deren Risikopotential bewertet.

Weiterführend:
Gefährliches Teilen ? – Haftungsrisiken beim Sharing über Facebook, Google Plus & Co (Teil 1 Urheberrecht)
Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen
Social Media Richtlinien – (Rechtliche) Leitplanken schaffen Medienkompetenz

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Günther Ludwig says:

    EckKommunikation (https://plus.google.com/u/0/103371282722992365458) hat bei Google+ auf diesen Artikel hingewiesen und ich (https://plus.google.com/u/0/111156755683968442722) habe diesen samt foto von Herrn Dr. Ulbricht „geteilt“.
    Muss ich diesen Artikel nun wieder entfernen?

    Um baldmöglichste Antwort wird gebeten.

    Mit freundlichen Grüßen
    Günther Ludwig

    • Günther Ludwig says:

      Sehr schade und unbefriedigend, dass bis heute noch keine Antwort von Herrn Dr. Ulbricht kam!

    • Misst ich habe den Link geteilt, was nu ?
      egal !
      Wir werden protestieren und Anonymus fördern und unterstützen, in die Piraten Partei eintreten und Spenden sammeln für den Computer Chaos Club !

      Ps.Es gibt auch sehr gute Anwälte die einen wirklich gut im Abmahnfall usw. mit Erfolg verteitigen.

      Zudem haben Richter wichtigeres zu tun !
      Wenn nicht, dann …..stimmt da was nicht….

      Gott zum Gruss

  2. Roger Bär says:

    In der letzten zeit hört und liest viel über dieses Tema,vorallem über facebook. Aber egal wo man teilt ob im Fb , Googel+, Youtube oder wo anders, ich finde man sieht das zu streng.
    Solange das man anständig bleibt und niemanden beleidigt oder Geschäfte macht damit sollte es in ortnung sein. Denn wenn ich ja etwas gut finde oder schön, warum soll ich das nicht meinen Freunden oder mit menschen oder der Welt mitteilen !?Nemen wir an ich finde ein Bild schön oder eine Musik oder einen blogg gut, warum muss ich immer bald angst haben ich werde Verklagt !! Das ist doch absurt ! oder nicht? Ich bin der Meinung:“ Wer sein Blogg oder Musikvideo oder was auch immer nicht weiter geteilt will haben soll doch nichts Veröffendlichen oder ganz weg bleiben !!“Wenn man natürlich mist baut oder Geschäfte macht oder sonst was nicht korrektes, ist ja auch selber schuld wenn er Verklagt wird !
    Dei einem Musikvideo zum Beispiel, im Yt, ist doch das für denn jenigen doch nur Gratis Werbung !! Wenn ich den Sänger gut finde und ein super Lied hat, warum darf ich es nicht sagen ? oder Teilen ,Posten……
    Also wenn man gar nichts mehr machen darf auf dieser Welt, dann können wir ja das Internet wieder abschalten ,dann muss auch niemand Angst haben, dass er etwas unrechtes gemacht hat und ander muss keine Angst haben das jemand Geschäfte macht oder etwas unanständiges Veröffentlicht oder sich aufregt über etwas.
    Können die Menschen ,dann nicht einmal in Frieden und normal miteinander Leben ? Wie weit muss das den noch kommen?
    Ich begreife das nicht.Ist wirklich schade,denn man hätte auf dieser Erde ja ganz schlimmere Probleme die man zuerst in Ortnung bringen sollte!!

  3. Ich hätte da mal eine Frage. Kann man abgemahnt werden, wenn man einen Link mit mit 2 bis 3 Zeilen identischem Text veröffentlicht?

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