Verschiebung der Macht – Sind Facebook, Google & Co die neuen „Gesetzgeber“ ?

In seinem Buch „Der Fixierungscode“ bezeichnet der bekannte Internet-Unternehmer Ibrahim Evsan Google, Apple oder das rasant wachsende Netzwerk Facebook, die mit oder im Zusammenhang mit den jeweiligen Angeboten im Internet in einer früher nie denkbaren Geschwindigkeit zu immensem wirtschaftlichen Erfolg, aber auch erheblicher Macht, gelangt sind (siehe die Zusammenfassung der wichtigsten Erfolgskriterien dieser Unternehmen).

Als auf das Internet und Social Media spezialisierter Rechtsanwalt stelle ich eine weitere Entwicklung fest, die auch im rechtlichen Bereich eine beachtenswerte Machtverschiebung bedeutet. Zahlreiche Mandanten fokussieren sich bei Fragen nach der Zulässigkeit ihrer (Werbe-)maßnahmen nicht so sehr auf den Rechtsrahmen, den die (nationalen) Gesetze abstecken, sondern primär auf die Frage, wo Google, Facebook & Co die Grenzen für die Nutzung der jeweiligen Plattform setzen.

Mit dieser Entwicklung bekommen die jeweiligen Nutzungsbedingungen oder AGB einer Internetseite bisweilen einen höheren Stellenwert als das staatlich gesetzte Recht. Auch dies stützt insoweit die These von Ibo Evsan, dass hier neue, supra-nationale „Supermächte“ entstanden sind, die sich – so ist als deutscher Jurist zu konstatieren – in einigen Bereichen (wie z.B. dem Datenschutzrecht) auch herzlich wenig um nationales, aber auch europäisches Recht scheren.

A. Bedeutung der plattformeigenen Nutzungsbedingungen

Und tatsächlich spielen die plattformeigenen Regeln eine wichtige Rolle, z.B. wenn bei Google Adwords Anzeigen geschaltet werden. Hierfür hatte Google erst kürzlich die Richtlinien in Reaktion auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gelockert (Vgl. Google Adwords & Markenrecht – Google ändert Richtlinien in Reaktion auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs) . Sowohl diejenigen die Anzeigen buchen, als auch Markeninhaber, die sich durch eine nach wie vor denkbare markenverletzende Anzeige eines Dritten gestört fühlen, orientieren sich aufgrund der offensichtlichen Marktmacht von Google oft nur noch an den von dem Unternehmen vorgegebenen Prozessen und Regeln. Dabei wird nicht mehr gefragt, ob denn die jeweiligen Prozesse und Regeln auch entsprechend rechtskonform sind.

Ähnliches gilt manchmal auch, wenn Unternehmen auf ihren Facebook Präsenzen werblich tätig sind. Tatsächlich gibt es ein nur schwer zu durchschauendes System verschiedener, interner Regelungen bei Facebook, die (Werbe-)aktivitäten erlauben, andere aber auch ausdrücklich verbieten (Vgl Social Media Marketing & Recht – Nutzungsbedingungen begrenzen Werbemöglichkeiten).

B. Bewertung der neuen „Machtverhältnisse“

Im ersten Schritt ist es natürlich wichtig, dass die Grenzen, die eine Plattform setzt, zumindest rudimentär bekannt sind, bevor man (vor allem als Unternehmen) dort tätig wird. Auch im Rahmen der Beiziehung von spezialisierten Anwälten sollte erwartet werden können, dass diese sich mit dem Rechtsrahmen der jeweiligen Plattform auskennen (oder auch hieraus resultierende Risiken abwägen) und nicht nur die staatlichen Gesetze anwenden.

Auf den zweiten Blick jedoch muss diese Entwicklung aber auch kritisch beleuchtet werden. Nur weil die jeweiligen Nutzungsbedingungen oder AGB bei der Anmeldung auf der Plattform akzeptiert worden sind und damit das Vertragsverhältnis zwischen Plattformbetreiber und Nutzer regeln, heißt das nicht in jedem Fall, dass die jeweilige Regelung auch rechtswirksam vereinbart worden ist. Nicht zuletzt aufgrund verschiedener Änderungen (z.B. in den Terms of Service bei Facebook) ist durchaus fraglich, ob die jeweils aktuellen Nutzungsbedingungen im Verhältnis zum (deutschen) Nutzer überhaupt gelten. Unabhängig davon finden sich auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen großer Portale einige Regelungen, die sich nicht wirklich mit nationalem Recht vereinbaren lassen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass man – vor allem im geschäftlichen Umfeld – den (Rechts-)rahmen, in dem man sich auf einer Plattform wie Google, Facebook oder auch Youtube bewegt zumindest grob einschätzen können sollte. Andernfalls besteht durchaus ein Risiko, dass Inhalte oder Anzeigen vom Plattformbetreiber oder sogar ein ganzer Account gelöscht oder an Dritte übertragen werden (Vgl. Facebook & Recht – Tourismusverband Innsbruck „kapert“ Facebook Account mit über 16.000 Fans). Besondere Relevanz entfaltet dieses Thema meiner Meinung nach für Internet- und Werbeagenturen, die entsprechende Konzepte an ihre Kunden verkaufen. Diese kommen gegenüber dem Kunden in einige Erklärungsnot, wenn z.B. die Facebook Fanseite der Kundenmarke nach Einsammeln einer entsprechenden Fanzahl von Facebook wegen Verstoß gegen deren Werberichtlinien gelöscht wird. Auch Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche des betroffenen Kunden sind dann nicht mehr ausgeschlossen.

C. (Un-)wirksamkeit der Nutzungsbedingungen von Google, Facebook & Co

Unabhängig davon aber gilt, dass auch Regelungen in Nutzungsbedingungen einer Plattform wegen eines Verstoßes z.B. gegen (deutsches) AGB-Recht (§§ 305 – 310 BGB) oder aus anderen Gründen unwirksam sein können, weil sie eben gegen nationales Recht verstoßen. So ist eindeutig, dass etwa die Datenschutzerklärung von Facebook gegenüber deutschen Verbrauchern in weiten Teilen unwirksam sind und damit zu einer Rechtswidrigkeit verschiedener Nutzungen personenbezogener Daten führen.

Dass sich zumindest in Teilbereichen neue Machtstrukturen herausbilden, sieht man auch an der Reaktion der (deutschen) Politik und Behörden gegenüber diesen Unternehmen. Staatliche Institutionen treten bisweilen – ähnlich der zwischenstaatlichen Diplomatie – in eine Art Verhandlung mit Google oder Facebook, um die Einhaltung bestimmter (rechtlicher) Vorgaben zu erreichen, statt Gesetze mit der bestehenden staatlichen Gewalt durchzusetzen. Beispiele sind der öffentliche Brief von Frau Aigner an Facebook oder das Aushandeln der Kompromisslösung einer Widerspruchsmöglichkeit bei der Einführung von Google Streetview in Deutschland.

Internetplattformen haben unter Zugrundelegung ihres „virtuellen Hausrechts“ natürlich die Möglichkeit, den rechtlichen Rahmen der Plattform vorzugeben. Nicht selten gehört die Gestaltung entsprechender Nutzungsbedingungen für alle Arten von Internetpräsenzen auch zu meinem Tagesgeschäft. Auch bei „digitalen Supermächten“ findet man in den jeweiligen AGB (oder Terms of Service) jedoch nicht wenige Regelungen, die aufgrund von Verstößen gegen staatliche Gesetze im Verhältnis zu dem Nutzer nicht gelten.

D. Zusammenfassung und Ausblick

Bisweilen lohnt es sich also auch gegen diese „Internetgrößen“ zur Wehr zu setzen. So kann unter bestimmten Umständen auch gegen US-amerikanische Unternehmen wie Google, Facebook & Co ein deutscher Gerichtsstand gegeben sein und deutsches Recht anwendbar sein. Erst kürzlich ist es mir mit entsprechendem anwaltlichen Druck auf Facebook und unter dem Hinweis auf einschlägige deutsche Rechtsprechung außergerichtlich gelungen, ein Account wiederherzustellen, welcher wegen angeblicher Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen gelöscht worden war. Wie von verschiedenen Betroffenen aus eigenen Fällen berichtet wird, hatte Facebook auch in diesem Fall auf (E-Mail-)nachfragen des Mandanten nur mit nichtssagenden automatisierten E-Mails oder eben überhaupt nicht mehr reagiert. Der Mandant hat den anwaltlichen Aufwand nicht gescheut, wodurch wir schlussendlich die Wiederherstellung des Accounts inklusive der aufgebauten Fans erreichen konnten.

Was die „digitalen Supermächte“ anbetrifft, bleibt es spannend, wie sich die Machtverhältnisse im Internet weiter verschieben. Ebenso gilt es zu beobachten, wie die Nutzer aber auch die Politik (siehe z.B. auch den ‚Einflusszuwachs‘ von Plattformen wie wikileaks durch entsprechende Veröffentlichungen) zukünftig mit diesen neu gewonnenen Machtpositionen der Unternehmen umgehen. Aus meiner Sicht sollte (und wird) gerade auch das Kartellrecht in diesem Zusammenhang weiter an Relevanz gewinnen.

Weiterführend:
Social Media & Recht – Gesammelte Werke
Social Media Marketing & Recht – Nutzungsbedingungen begrenzen Werbemöglichkeiten
in den Terms of Service bei Facebook
Facebook & Recht – Tourismusverband Innsbruck „kapert“ Facebook Account mit über 16.000 Fans

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Wieder ein toller Beitrag. Danke!

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