#XINGGATE: Alle XING Impressen abmahnfähig ?! Das vollständige Urteil des LG Stuttgart (Az. 11 O 51/14) und Bericht aus der Verhandlung

Vor einiger Zeit hatte ich über mein Verfahren gegen Rechtsanwalt Winter berichtet, der mich und einige andere Kollegen wegen unzureichender Impressen bei XING & Co abgemahnt hatte.

Um die Berechtigung der Abmahnung zu klären, hatte ich seinerzeit eine negative Feststellungsklage gegen RA Winter erhoben. In diesem Verfahren ist am 27.06.2014 ein Urteil des LG Stuttgart (Az.: 11 O 51/14) ergangen, in dem entschieden wird, dass das Fehlen einiger weniger spezifischer Inhalte in meinem XING Profil einen abmahnfähigen Verstoß gegen die Impressumspflicht darstellt und auch ein Link in dem von XING vorgesehenen Impressumsfeld den Anforderungen an § 5 TMG nicht genügt, weil der Hinweis am unteren Rand des Profils in zu kleiner Schriftgröße gehalten sei. Nach Auffassung des LG Stuttgart ist der Hinweis von XING nicht hinreichend optisch wahrnehmbar und daher nicht leicht erkennbar.

Bei dieser Argumentation wären ALLE derzeitigen XING Impressen rechtswidrig und damit abmahnfähig. Ein sehr zweifelhaftes Ergebnis, was als #XINGGATE durchaus ein wenig Aufmerksamkeit verdient.

Hier das URTEIL IM VOLLTEXT.

Tatsächlich nehmen die Anforderungen an das Impressum, die von einzelnen Gerichten vertreten werden, so langsam immer absurdere Züge an.

Bisher hatte ich leider noch keine Zeit gefunden, über das Urteil zu schreiben. Zudem ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Gegen das zuvor ergangene, im wesentlichen inhaltsgleiche Verfügungsurteil habe ich zudem bereits Berufung eingelegt habe und streite insofern bereits in zweiter Instanz vor dem OLG Stuttgart.

Insofern besteht derzeit noch Hoffnung, dass die übertrieben hohen und für Laien kaum noch umsetzbaren Vorgaben an ein geschäftliches Impressum bei XING & Co doch noch korrigiert werden.

A. Die Hintergründe zur Abmahnung

Da nun aber die beiden geschätzten Kollegen Schwenke und Bräuer das Urteil in ihren Blogs aufgegriffen haben und kommentieren, möchte ich es nicht versäumen, das Urteil und die Hintergründe auch der mündlichen Verhandlung nachfolgend aus meiner eigenen Sicht ein wenig zu erläutern.

Wie die beiden ebenfalls betroffenen Kollegen Schwenke und Bräuer hatte auch ich mich entschlossen, die Abmahnungen gerichtlich prüfen zu lassen. Leider basieren die Grundsätze nach denen die Impressumsfragen beurteilt werden aus der „Web 1.0“ Zeit und es  besteht – nach wie vor – die Hoffnung, daß möglicherweise das Oberlandesgericht die extrem engen Vorgaben aus der bisherigen Rechtsprechung etwas korrigiert.

B. Das Urteil des LG Stuttgart zum XING Impressum

Das aktuelle Urteil des LG Stuttgart orientiert sich sehr eng an einigen vergangenen gerichtlichen Entscheidungen und sieht einen Impressumsverstoß – etwas vereinfacht – aufgrund der nachfolgenden Argumente gegeben:

  1. Das XING Profil wird (auch) geschäftlich genutzt und ist damit ein geschäftsmässiges Telemedium im Sinne von § 5 TMG.
  2. Wer (irgendeinen) Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung auf eine Internetpräsenz auch auf einer anderen Plattform hat, der betreibt dieses als hinreichend eigenständiges Telemedium.
  3. Die aus a) und b) resultierend Impressumspflicht erfordert eine unmittelbare Auffindbarkeit und leichte Erreichbarkeit der nach § 5 TMG notwendigen Informationen.
  4. In meinem Impressum sind zwar die meisten notwendigen Informationen, es fehlt aber nach Auffassung des LG Stuttgart an Angaben dazu, dass ich deutscher Rechtsanwalt bin, bei der Rechtsanwaltskammer Stuttgart zugelassen bin und deutschem Berufsrecht unterliege.
  5. Der Link auf das vollständige Impressum, das ich in dem dafür vorgesehen Feld bei XING verlinkt hatte, reicht aus Sicht des Richters nicht aus, weil der Standardhinweis bei XING zu klein und nicht hinreichend leicht auffindbar sei.

Sämtliche Punkte wurden tatsächlich von Gerichten in verschiedenen Verfahren entsprechend entschieden.

Diese Argumenteation würde dazu führen, dass auch beliebige (Unter-)seiten über und von Unternehmen bei irgendwelchen Portalen (z.B. ein solches Profil bei www.gelbeseiten.de) schlicht dadurch impressumspflichtig würden, weil das Unternehmen dort Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung genommen hat (z.B. ein Logo hochgeladen). Das entspricht sicher nicht dem Sinn und Zweck der Impressumspflicht, die der Anonymität im Internet entgegen wirken soll und – jedenfalls im geschäftlichen Bereich – sicherstellen soll, dass man den Betreiber von Präsenzen identifizieren und kontaktieren kann.

Nachdem Landgerichte aber oft nicht bereit sind, bestehende Rechtsprechung zu ändern, habe ich weiter gute Hoffnung, dass zumindest das OLG Stuttgart diese bedenklich enge Urteilsbegründung des LG Stuttgart noch korrigiert.

C. Argumente gegen das Urteil des LG Stuttgart

Und tatsächlich gibt es gegen die Entscheidung des LG Stuttgart einige gute Argumente, die ich natürlich auch alle schon in das Verfahren eingebracht hatte.

Die Argumente, die ich einem der letzten Beitrag länger ausgeführt hatte, lauten zusammengefasst wie folgt:

  1. Mein Profil bei XING ist kein hinreichend eigenständiges Telemedium im Sinne von § 5 TMG.
  2. Selbst wenn es das wäre, übersteigt das Fehlen einiger weniger Informationen nicht die Bagatellschwelle des § 3 Abs.2 UWG und ist insofern nicht abmahnbar.
  3. Aus europarechtlichen Vorgaben (konkret der UGP-Richtlinie) folgt, dass  nur dann abgemahnt werden kann, wenn wesentliche Informationen vorenthalten werden und das Fehlen der Informationen geeignet ist, eine geschäftliche Entscheidung zu veranlassen, die der Verbraucher sonst nicht getroffen hätte. Dies ist angesichts des Fehlens einiger weniger Informationen vorliegend nicht der Fall.
  4. Schließlich fand sich ein vollständiges Impressum über das bei XING standardmässig vorgesehene Feld. Dieses ist für den Durchschnittsnutzer auch ohne weiteres auffindbar.

Bei Berücksichtigung dieser Argumente noch von einem wettbewerbsrechtlich relevanten Verstoß gegen die Impressumspflicht aus § 5 TMG auszugehen, halte ich auch weiter für sehr abwegig. Dies hatte ich natürlich auch in der mündlichen Verhandlung ausführlich erläutert.

Der Richter, der sich gut vorbereitet und durchaus intensiver mit der Sache auseinandergesetzt hatte, war im Hinblick auf die bestehende sehr restriktive Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofes leider nicht bereit, die neu auftretenden Fragen bei Sozialen Netzwerken im Hinblick auf Sinn und Zweck der Impressumspflicht zu überdenken und entsprechend zu entscheiden.

D. Weitere Entwicklung zu Impressumspflicht in Social Media

Natürlich sind die Argumente des LG Stuttgart kein gutes Signal und hätte im Falle der Bestätigung durch das OLG Stuttgart sehr nachteilige Folgen. Tatsächlich würden die Ausführungen nämlich nicht nur für XING, sondern für eine unüberschaubare Zahl von Plattformen, auf denen Unternehmen oder Selbständige Profile mit irgendeinem beruflichen Bezug einstellen, zu einer potentiellen Impressumspflicht führen.

Ich bin aber weiter zuversichtlich, dass das Verfügungsurteil vom OLG Stuttgart aufgehoben wird und dieser doch langsam absurd anmutenden und für Laien kaum noch erfüllbaren Interpretation der Impressumspflicht in Deutschland tatsächlich langsam Einhalt geboten wird. Das Europarecht (konkret die UGP-Richtlinie) bieten heirfür eine gute Argumentationsgrundlage, indem gefragt wird, ob die Information tatsächlich so wesentlich ist, dass der Verbraucher auf dieser Grundlage eine Entschdung trifft und eine medienkonforme Eigeninformation des Verbrauchers erwartet werden kann.

Man sollte also nicht in Panik verfallen und die weitere Entwicklung beobachten. Natürlich würde es Sinn machen, wenn XING reagiert und den Impressumshinweis etwas grösser macht.

Eine Abmahnwelle halte ich im Hinblick auf die Unsicherheit, die daraus resultiert, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, für eher unwahrscheinlich. In der Regel kommt es nur zu Abmahnwellen, wenn die entsprechenden Rechtsanwälte sich einer weitgehend gesicherten Rechtsprechung ausgehen können. Alles andere ist auch für die abmahnende Partei mit entsprechenden Kostenrisiken verbunden.

Nachdem nicht nur mein Verfahren nun in zweiter Instanz ist, sondern auch die der Kollegen noch laufen, bleibt die Hoffnung, dass wir die Problematik mit vereinten Kräften wieder ein wenig „einfangen“ können und die (grundsätzlich sinnvolle) Impressumspflicht auf ein vertretbares und vor allem umsetzbares Maß zurückführen können.

Weiterführend:

Erste Abmahnungen wegen fehlendem Impressum bei XING – Rechtslage und Praxisempfehlung

Update zur Impressumspflicht bei XING – Entscheidende Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart

LG Aschaffenburg bestätigt Impressumspflicht bei geschäftsmäßig genutzten Facebookprofilen

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Danke für den Volltext!

    Ich erlaube mir aber den Hinweis, dass hinter den Schwärzungen der Text durchscheint, so dass nicht nur – m.E. unbedenklich – der Name von VRLG Stefan lesbar ist, sondern auch die Anschrift der Gegenpartei. Dieses Risiko sollte vielleicht vermieden werden. (Oft hilft der Arbeitsgang „schwärzen – kopieren – nochmal schwärzen – scannen“.)

  2. Stuttgarter Landrecht eben.

    Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung:

    ( § 5 TMG…)

    „….Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar…..“

    Diesen I S.1 hat das Gericht elegant umschifft, ob wissentlich oder nicht ist schwer zu sagen. Denn: Wie bereits aus dem
    XING-Formularfeld ersichtlich dient das Netzwerk nicht dazu, einzelne Leistungen ( Medien, also Filme, Formulare, E-Books etc. ) anzubieten, und zwar über das Medium Internet, UND gegen Zahlung, sondern als Karrieresprungbrett und Beziehungsnetzwerk, um etwa Kooperationen zwischen Anwälten anzubahnen oder Gutachter zu finden, oder, oder.

    Monster ist ähnlich strukturiert. Oder Stepstone.

    Und: § 5 TMG stammt aus der Internet-Steinzeit ( 2000-2003 ), als etwa das Online-Anwaltsverzeichnis der BRAK noch nicht existerte, über das jeder Anwalt durch eine einfache Suche sofort dingfest gemacht werden kann. Die Impressumpflicht dient ja gerade dazu, Haftungsadressaten festzulegen – bei Anwälten fällt das nicht so schwer. Jeder ist online identifizierbar. Daher ist darüber hinaus ein Imprtessum überflüssig, und bei XING sachwidrig.

    XING ist auch nicht zu vergleichen mit Ebay oder Facebook. Bei Ebay werden alte Bilder verkauft, gebrauchte Computer,
    Autoersatzteile und was nicht alles – nicht: anwaltliche Leistungen. Über Facebook werden Revolutionen organisiert, Saufparties etc. und Autos verkauft ( und was nicht sonst alles ).

    Überhaupt: worin besteht für den gepeinigten Wettbewerber der Nachteil, wenn der Konkurrent nicht auffindbar ist, oder schwer auffindbar ?

    Sicher ist von niemand zu erwarten, dass er das Online-Anwaltsverzeichnis der BRAK kennt….wozu auch ?

  3. Mit Richter Stefani habe ich auch so meine Erfahrungen… mich wundert die Entscheidung des OLG Stuttgart daher nicht.

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  2. […] das ist bereits mehrmals geschehen. So berichtet Rechtsanwalt Carsten Ulbricht, dass er mit weiteren Personen von anderen Anwälten abgemahnt […]

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  5. […] wieder viele Fragen offen und gibt eine sehr unbefriedigende Rechtslage auf. Ob Thomas Schwenke, Carsten Ulbricht, Thomas Stadler oder Stephan Dirks: Hier werden eher Fragezeichen aufgeworfen, sowohl über die […]

  6. […] am unteren Rand zu wenig, da dieser auch in kleiner Schriftform gehalten war. Der Rechtsanwalt  Carsten Ulbricht hatte gegen eine Abmahnung geklagt und hat die Klage verloren. Er hat allerdings Berufung eingelegt […]

  7. […] Mitbewerber könnten den Braten riechen und sich zum abmahnen motivieren. Wie Rechtsanwalt Carsten Ulbricht berichtet, wurde er, sowie einige andere Personen bereits von einem anderen Anwalt abgemahnt und es […]

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