Der Fall Niggemeier – Haftung des Blogbetreibers für (rechtsverletzende) Kommentare

Der Fall Niggemeier schlägt – nach wie vorhohe Wellen und wird teilweise recht kontovers diskutiert.

Bei der Beurteilung des Falles kommt es auf die bereits öfters schon dargestellten Grundsätze der sogenannten Mitstörerhaftung an.Nach ständiger und noch kürzlich noch einmal bestätigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gilt in Deutschland (bis auf ein paar „Ausreißerentscheidungen“ der Hamburger Gerichtsbarkeit) folgendes:

1. Es gibt grundsätzlich keine Pflicht zur Vorabkontrolle von Kommentaren. Blogbetreiber haften damit eigentlich erst ab Kenntnis für rechtsverletzende Kommentare Dritter.

2. Sollten entsprechende Hinweise auf rechtsverletzende Inhalte eingehen, sind diese auf ihre Begründetheit zu prüfen. Soweit durch einen Kommentare Rechte Dritter (Markenrechte, Persönlichkeitsrechte etc) tatsächlich verletzt werden, sind diese unverzüglich zu löschen. Das Amtsgericht Winsen an der Luhe (vom 6.6.2005 Az. 23 C 155/05) hat vor einiger Zeit für ein privates Forum entschieden, dass es für ein unverzügliches Löschen genügt, wenn der rechtsverletzende Beitrag innerhalb von 24 Stunden gelöscht wird. Tut der Blogbetreiber dies nicht kann er im Wege der Abmahnung oder einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden.

So war es wohl im ersten Fall, in dem Stefan Niggemeier die Kommentare trotz einer Verletzung der Rechte Dritter (zumindest sah das Gericht eine Verletzung als gegeben an) nach einem entsprechenden Hinweis nicht gelöscht hat.

3. Die im Zusammenhang mit Abmahnungen regelmäßig geforderten Unterlassungserklärungen müssen – für den Fall dass der Forumsbetreiber unter Beachtung der dargestellten Grundsätze nicht für von Dritten eingestellte Inhalte haftet – ebenso wenig abgegeben werden, wie auch die Kosten des abmahnenden Anwalts grundsätzlich nicht getragen werden müssen.

4. Danach trifft den Betreiber die Pflicht sein Portal so zu überwachen, dass „kerngleiche“ Rechtsverstöße nicht mehr vorkommen. Was konkret erforderlich ist, um diesen Überwachungspflichten genüge zu tun, ist von der Rechtsprechung (noch) nicht abschließend geklärt und hängt stark von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Entscheidend ist insofern, ob es sich um eine privates oder gewerbliches Portal handelt bzw. welche Prüfungsmechanismen technisch möglich und dem konkreten Betreiber zumutbar sind. Denkbare Mechanismen sind beispielsweise Textfilter, deren Ergebnisse dann noch einmal einer Einzelprüfung zu unterziehen sind. Im Rahmen der Entscheidung, welche Maßnahmen zumutbar sind, spielen außerdem Kriterien wie die Intensität der Rechtsverletzung aber auch Grundrechte wie Meinungs- oder Pressefreiheit eine Rolle. Sobald der Portalbetreiber also Kenntnis von rechtswidrigem Kommentaren erlangt hat, muss er – unter Beachtung der oben genannten Kriterien – sein Forum auf zukünftige kerngleiche Verstösse überprüfen und ggfls entsprechend zu reagieren.

Will man vorliegend nun wissen, ob die zweite Abmahnung im Fall Niggemeier berechtigt war, ist darauf abzustellen, ob der zweite (wohl rechtsverletzende) Eintrag als kerngleich mit dem ersten zu werten ist. Dem Blogbetreiber kann man dies nur vorwerfen, wenn dieser die technisch möglichen und ihm zumutbaren Prüfungsmechanismen zur Vermeidung solch kerngleicher Verstöße nicht eingesetzt hat. Wie bereits angedeutet, sind die Anforderungen an gewerbliche Blogger insofern höher als an private Blogger. Wie das Pendel (sprich privat oder gewerblich) vorliegend ausschlägt, vermag ich mangels detaillierterer Informationen nicht zu beurteilen.

Eine Inanspruchnahme kommt auf Grundlage der BGH-Rechtsprechung also nur in Betracht, wenn der vorliegende Verstoß als kerngleich mit vorherigen bekannten Rechtsverletzungen zu werten ist.

Anders könnte der Fall meines Erachtens nur vor dem LG Hamburg ausgehen. Erst kürzlich wurde von diesem Gericht wieder ein eigenwilliger Ansatz vertreten.

Don Dahlmann schreibt in diesem Zusammenhang:

„Dummerweise ist die Rechtsspechung in diese Fall tatsächlich völlig uneindeutig. Es gibt Urteile, die Foren/Blogbetreiber aus der Haftung nehmen, es gibt aber auch das bekannte „Heiseforen Urteil“ das da einen völlig anderen Weg einschlägt. Stefan Niggemeier hat sich dazu entschlossen, mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel gegen die Abmahnung vorzugehen.“

Meines Erachtens schießt sich die Rechtsprechung in Deutschland mittlerweile – eben bis auf Hamburg – auf eine einigermassen einheitliche Linie ein, die ich oben kurz dargestellt habe.

Insofern dürfte man bei der Beachtung dieser Grundsätze einigermaßen auf der sicheren Seite sein.

Anonsten bleibt es spannend, wie es im Fall Niggemeier gegen Callactive weitergeht.

PS: Zusammenfassung des Sachverhalts und eine noch ausführlichere rechtliche Bewertung, die ich weitgehend teile, finden sich auch beim Upload Magazin.

NACHTRAG 16.08.2007:

Gerade stosse ich auf ein recht aktuelles Urteil des LG Düsseldorf, welches die obigen Grundsätze ebenfalls bestätigt.

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Stephan says:

    Hi,

    es dürfte klar sein, dass der Forenbetreiber als Störer nur haftet, wenn er etwaige zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat, aber gerade zu denen hat der BGH (I ZR 35/04) im Fall »Internetversteigerung II« ja ausgeführt:

    »Die Grenze des Zumutbaren ist dabei jedenfalls dann erreicht, wenn keine Merkmale vorhanden sind, die sich zur Eingabe in ein Suchsystem eignen.«

    Soweit alles schön und gut, da ja gerade Foren- bzw. Blogeinträge nur schwer durch Software zu filtern sein dürften. Aber jetzt folgt:

    »Soweit die Beklagten geltend machen, dass derzeit eine lückenlose Vorabkontrolle, die sämtliche Rechtsverletzungen sicher erkennt, technisch nicht möglich sei, hindert dies eine Verurteilung zur Unterlassung _nicht_. Auch im Falle einer Verurteilung zur Unterlassung wären die Beklagten für Zuwiderhandlungen nur haftbar zu machen, wenn sie ein Verschulden trifft (§890 ZPO).«

    Das heißt doch im Klartext, wir machen dich erstmal der Unterlassung haftbar und schauen dann bei der Vollstreckung, ob du wirklich unverschuldet die Rechtsverletzung nicht beseitigen konntest. Das ist doch nur eine Verlagerung des Problems und ufert den Rechtsstreit ins Endlose aus.

    Oder seh‘ ich da irgendwas falsch?

    Gruß Stephan

  2. @Stephan:
    ich würde sagen, dass es genauso aussieht. Du wirst als ein potentieller Mitstörer verurteilt und darfst dann im Einzelfall nachweisen, dass Du die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hast.

    Einerseits ist das prozessökonomisch, weil nicht wieder der ganze Fall aufgerollt wird. Anderseits wird hier die Erstbegehungsgefahr mit ins Spiel gebracht.

    Damit könnte man z.B. im Fall Niggemeier sagen: Ok, sie haben nicht gegen die Prüfungspflichten verstoßen …. aber! So wie es bei Ihnen im Blog zugeht, besteht eine konkrete Gefahr, dass da immer wieder kernähnliche Beleidigungen u.ä. auftauchen. Daher haften Sie grundsätzlich.

    Ob Sie dann tatsächlich eine Vertragsstrafe zahlen müssen, sehen wir dann im Einzelfall.

    Gut, das ist etwas überspitzt aber sehr nahe liegend. Und soweit ich weiß hat das LG Berlin so im Fall eines Subdomainproviders geurteilt. D.h. wozu Rechtsverletzungen, wenn jemand eine „heiße“ Gefahrenquelle betreibt.

    Was mich jedoch interessieren würde, wie „kerngleich“ verstanden wird. Ist die Beleidigung einer Moderatorin des Senders mit einem doppeldeutigen Begriff mit einerm Hitlergruß an den Sender im kern gleich? Beides verletzt die Betriebsehre?

Trackbacks

  1. Der Fall Niggemeier, über den ich bereits vor einiger Zeit berichtet hatte, gibt in der Blogosphäre auch nach dem Urteil des LG Hamburg (Urteil vom 03.12.2007, 324 O 794/07 – vom Betroffenen persönlich in Auszügen veröffentlicht) weiter Anlass zu heftiger

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