In Sachen Hartplatzhelden: Verwertung des Amateursports im Internet

„Wem gehört der Amateurfußball“ hatte nicht nur die Stuttgarter Zeitung im Dezember letzten Jahres getitelt, sondern auch zahlreiche andere Medien und Blogs.

Heute hat nun das Landgericht Stuttgart in einer Klage des Württembergischen Fußballverbandes (wfv) gegen die Betreiber von hartplatzhelden.de sein Grundsatzurteil gesprochen, nachdem der Plattform verboten wird, Videoausschnitte von Amateur- und Jugendfußballspielen des klagenden Verbandes im Internet zu veröffentlichen. Der Fall hatte bereits im Vorfeld der Entscheidung ein großes Medienecho ausgelöst.

I. Der Sachverhalt

Auf Hartplatzhelden stellen Freizeitfilmer – oft die Familien oder Freunde der Kicker – einzelne (mehr oder weniger) spektakuläre Szenen ein, die sie auf den besuchten Amateurfußballspielen aufgenommen hatten. Mit solchen Videoplattformen wird im Internet wohl zum ersten Mal ein entsprechendes Forum für den Amateursport eröffnet. Siehe auch einen entsprechenden Videobericht über die Idee der Hartplatzhelden.

Der Württembergische Fußballverband war nun gegen die Betreiber der Webseite vorgegangen und hatte wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend gemacht, weil die Beklagten Filmaufnahmen von Veranstaltungen des wfv „verwendeten und kommerziell nutzten“. Der wfv hatte seine Klage damit begründet, dass er die Meisterschaftswettbewerbe veranstalte und durchführe, und so alles im allen rund 5.000 Spiele pro Wochenende organisiere. Seine Organisationsaufgaben wie die Erstellung von Spielplänen, Ergebnisdiensten und die Einrichtung und Unterhaltung entsprechender Sportgerichte führten dazu, dass der Verband auch alleiniger Inhaber der Vermarktungsrechte sei.

Die beklagte Plattform hatte offensichtlich vorgetragen, dass ein Monopol für ein Internetprojekt wie Hartplatzhelden nicht bestünde und dem wfv insoweit auch keine Ausschließlichkeitsrechte an den Amateurfußballspielen zustünden. Weder sei ein Fußballspiel urheberrechtlich geschützt, noch könne der Verband Rechte an den Videoaufnahmen beanspruchen, da die Aufnahmen von privaten Amateurfilmern am Spielfeldrand – ohne Zutun des Verbandes – angefertigt worden seien. Zwar hätten die im wfv organisierten Vereine das Hausrecht und könnten – theoretisch – Filmaufnahmen verbieten. Ohne entsprechende Verbote stünden die Rechte an den Aufnahmen jedoch weder dem Verein noch dem Verband zu.

Das Landgericht Stuttgart ist mit dem heutigen Urteil diesem Vortrag nicht gefolgt, sondern hat sich der Argumentation des Verbandes angeschlossen.

Da das Urteil und dessen Begründung im einzelnen leider noch nicht vorliegt, kann ich nachfolgend nur ein paar grundsätzliche Erwägungen zur Beurteilung der Rechtslage abgeben.

II. Verwertungsrechte an Sportveranstaltungen

In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass das Hausrecht eines Veranstalters keineswegs nur formalen Ordnungsaspekten dient, sondern daraus auch ein wirtschaftliches Verwertungsrecht des Veranstalters von Sportereignissen hergeleitet werden kann.

Bei großen Sportveranstaltungen – wie beispielsweise Bundesligaspielen – verbieten die Veranstalter über ihr Hausrecht entsprechende Videoaufnahmen. Die Fußballvereine räumen dann gegen entsprechende Lizenzzahlungen einzelnen die Rechte ein von den Veranstaltungen in Ton und Bild zu berichten.

Um beurteilen zu können, wer auf Grundlage dieser Konstruktion im vorliegenden Fall bei den Spielen des Verbandes tatsächlich die wirtschaftlichen Verwertungsrechte für sich beanspruchen kann, ist zunächst zu klären, wem denn insofern das Hausrecht zusteht. Aus §§ 858 bzw. 1004 BGB ergibt sich, dass dies in erster Linie mal der Besitzer oder Eigentümer des Veranstaltungsortes ist. Das sind eigentlich zunächst einmal die Vereine.

Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass der wfv seine Verwertungsrechte eben konkret aus diesem Hausrecht herleiten kann.

Wohlwissend um diese Tatsache wird im Rahmen einer offiziellen Stellungnahme des DFB zum Ausdruck gebracht, der Verband würde die Verwertungsrechte nur stellvertretend als Dienstleister für die Vereine und zu deren wirtschaftlichen Nutzen geltend machen.

Nur wenn und soweit die Vereine in ihren Satzungen oder sonstigen Vereinbarungen mit den Verbänden tatsächlich ihre Vermarktungsrechte oder zumindest der Wahrnehmung an den Verband übertragen oder abgegeben haben, könnte ein entsprechender Unterlassungsanspruch begründet werden. Dazu sollten sich gerade auch die betroffenen Vereine einmal ihre Satzungen und andere Vereinbarungen mit den Verbänden genauer anschauen.

III. Sonstige Argumente

Davon unabhängige oder hinausgehende wettbewerbsrechtliche begründete Ansprüche sehe ich zunächst einmal nicht.

Dabei ist bereits schon das Wettbewerbsverhältnis als notwendige Voraussetzung eines entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Anspruchs zwischen dem wfv und den Betreibern des Portals hartplatzhelden.de fraglich.

Ein weiteres Argument welches – zumindest auf den ersten Blick – als Rechtfertigung für die Veröffentlichung der kurzen Videosequenzen herangezogen werden könnte, ist das Recht auf Kurzberichterstattung aus §5 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV). Danach besteht ein Recht auf unentgeltliche Kurzberichterstattung bei kurzfristig und regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen vergleichbarer Art – dass sind natürlich auch die Fußballverbandsspiele – in der Regel auf 1 ½ Minuten (§ 5 IV 3 RStV). Ohne zu wissen, ob dieses Argument in dem Verfahren überhaupt eingeführt worden ist, halte ich diesen Punkt als weiteres Argument für die Veröffentlichung entsprechender Videos für durchaus interessant.

IV. Hartplatzhelden wollen in Berufung gehen

Offensichtlich planen die Betreiber von hartplatzhelden.de nun in Berufung zu gehen. Es bleibt zu hoffen, dass über das Urteil vor dem OLG Stuttgart noch einmal nachgedacht wird.

Würde dieses Urteil bestehen bleiben, so hätte das Urteil tatsächlich weitreichende Auswirkungen für die gesamte Verwertung von Videoinhalten nicht nur von Sportveranstaltungen im Internet. So könnten nicht nur die vielen Sportcommunities, die entsprechdende Funktionalitäten nutzen, sondern sämtliche Videoportale wie auch YouTube, Clipfish etc. auch in zahlreichen anderen Nischen dafür in Anspruch genommen werden, wenn sie entsprechende Sportereignisse bzw. entsprechende von Dritten eingestellte Ausschnitte auf ihrer Plattform veröffentlichen. In diesem Zusammenhang sind gerade bei User Generated Content aber zugunsten der Plattform noch die Grundsätze der Mitstörerhaftung zu berücksichtigen.

Sobald das Urteil öffentlich zugänglich ist, werde ich mich noch einmal im Detail mit der Begründung auseinandersetzen. Erst danach kann man entsprechende Rückschlüsse ziehen, was nun verboten sein soll bzw. wie sich betroffene Videohoster möglicherweise absichern können.

Bei einer näheren Beschäftigung mit dem Thema wird man auch das Kartellrecht ein wenig im Auge behalten müssen, da im Zusammenhang mit solchen Sportereignissen immer wieder diskutiert wird, ob bzw. inwieweit sich einzelne die wirtschaftlichen Verwertungsrechte überhaupt sichern können bzw. dürfen.

V. Fazit

In jedem Fall lässt sich feststellen, dass die Rahmenbedingungen einer Nutzung von Videoaufnahmen im Internet in vielen Bereichen rechtlich noch nicht hinreichend geklärt. Da das Urheberrecht insofern nicht eingreift, ist zu konstatieren, dass nicht nur die Gesetze eine hinreichende Regelung der Verwertungsprobleme vermissen lassen, sondern auch auf Seiten der Gerichte (noch) keine gesicherte Rechtsprechung zu dem Thema existiert.

Sollte das Urteil auch in der Berufungsinstanz bestehen bleiben, ist nicht auszuschließen, dass ein Dominoeffekt entsteht, nachdem zunächst auch die anderen Fußballverbände gegen entsprechende Plattformen vorgehen, um die wirtschaftlichen Verwertungsrechte im Internet zu sichern und sich dann andere Veranstalter entsprechender Ereignisse anschließen.

Bleibt also nicht nur im Interesse der Videohoster, sondern der ganzen Web 2.0 Idee (so man sie denn so nennen möchte) zu hoffen, dass das OLG Stuttgart das aktuelle Urteil zumindest ein Stück weit korrigiert…

NACHTRAG 17. Juni 2008:

Bewertung des Urteils des LG Stuttgart

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. eigentlich ist es erschreckend, dass sowas überhaupt möglich ist. Das Ende des Web 2.0 ist ja eigentlich schon mehr oder weniger eingeleutet. Wirklichen User Generated Content kann man m.E. nicht mehr anbieten, wenn man nicht genügend Kapital/Wissen/Kontakte besitzt um ggf. nochmal durch ein paar Instanzen der Klage etwas entgegenzusetzen.

    Ich denke viele wissen gar nicht, das sie mit ner eigenen Webseite (die man ja überall in 5min anlegen kann) sich auf so „rechtsunsicheres“ Gebiet begeben. Wenn ich es nicht gelernt hätte, dann hätte ich auch keine Ahnung von den ganzen Rechten und vorallem Pflichten die mit dem veröffentlichen von Bildern, Texten usw. einhergehen.

    Um jetzt aber wieder auf das o.g. Urteil zurück zu kommen: Ich glaube nicht, dass irgendein Fußballverband jemals kommerziell Amateuerligaspiele vermarkten wird. Es lohnt sich doch gar nicht. Aber engagierten Usern, die sowas aus Spaß an der Freude machen, möchte man dennoch diesen Erfolg nicht gönnen und geht rechtlich dagegen vor… Ich frage mich, ob sich die Verantwortlichen da ggf. auch mal Gedanken um das Image machen. Leider ist es bisher noch nicht so, dass es die ganz großen Wellen schlägt in den Medien, aber irgendwann wird es hoffentlich soweit sein und so ein „Unternehmen“ überlegt sich 2 Mal, ob gle4ich die Rechtskeule geschwungen wird, oder ob man es vielleicht einfach mal auf die nette versucht und irgendetwas in Richtung Kooperation anzettelt…

    just my 2 cents… und jetzt Feierabend 🙂

    • Hallo,

      ich sehe es ganz ähnlich.

      Jahrzehntelang hat man sich nicht gross um die Vermarktung des Amateursports gekümmert und nun wo Dritte es versuchen, geht man dagegen vor.

      Man hätte hat auch einfach mal Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten können und sich so das Know-How der Plattformbetreiber zu nutze machen.

      Stattdessen hat man es vorgezogen, erst einmal die Pfründe zu sichern…

  2. In einer Diss, die ich mal gelesen habe, wurde eine Schutzfähigkeit von Fußballrechten aus § 4 Nr. 9 lit. b) UWG diskutiert. Die Frage ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt, weil der BGH bisher immer das Hausrecht ausreichen ließ und die Frage so dahinstehen lassen konnte.

    Das OLG Stuttgart hat angeblich in der mündlichen Verhandlung schon anklingen lassen, dass es nicht über das Hausrecht argumentieren wird. Insofern, denke ich, wird das Gericht eine Schutzfähigkeit über Wettbewerbsrecht begründen.

    Zum Wettbewerbsverhältnis:
    Wenn ich mich richtig erinnere, hatte der wtv zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein eigenes Sportportal angekündigt. Aber auch für den Fall, dass dieses Portal nicht das Licht der Welt erblickt hat: Die Vereine (die der wtv hier wohl prozessstandschaftlich vertreten hat, reine Mutmaßung) können ja immer noch argumentieren, dass sie ihre Bildrechte, falls sie denn bestehen, eben an einen exklusiven Lizenznehmer vergeben würden, z.B. Sport1.de. In dem Fall wäre ein (potentielles) Wettbewerbsverhältnis zu bejahen, oder?

    • Für eine detaillierter Analyse sollten wir vielleicht wirklich erst die genaue Urteilsbegründung abwarten, bevor wir uns in Spekulationen ergehen.

      Eine Prozesstandschaft sehe ich erst einmal nicht. Wichtiger wird meines Erachtens sein, ob bzw inwieweit die Vereine etwaige Verwertungsrechte an den Verband abgeben (über die Satzung oder ähnliches).

      Mit einem wettbewerbsrechtlich begründeten Anspruch tue ich mich mangels aktuellem konkretem (!!!)Wettbewerbsverhältnis aber nach wie vor schwer.

      Also erst einmal Urteilsbegründung abwarten…

  3. Jan Dirk says:

    „In diesem Zusammenhang sind gerade bei User Generated Content aber zugunsten der Plattform noch die Grundsätze der Mitstörerhaftung zu berücksichtigen.“

    Nun ja, bei den AGB würde ich denken, dass die sich schon die Inhalte „zu eigen“ gemacht haben, oder?

  4. Stefan says:

    Bemerkenswert finde ich wirklich die folgende Begründung:

    Nach nahezu einhelliger Auffassung (vgl. Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2.Aufl., 4.Teil, 2. Kapitel Rn. 48 ff), der sich die Kammer anschließt, steht dem Veranstalter von Sportereignissen die alleinige Verwertungsmöglichkeit hieran zu. Dies rechtfertigt sich daraus, dass der Veranstalter das finanzielle Risiko des Ereignisses trägt und die organisatorischen Voraussetzungen für eine Veranstaltung trifft.

    Diese Aussage könnte verallgemeinert auf jegliche Art von Veranstaltungen übertragen werden.
    Wenn ich also als freier Fotograf eine Aufnahme auf einer Veranstaltung machen würde, dürfte ich diese nicht mehr veräussern.

  5. Hi,
    der Termin für die zweitinstanzliche Urteilsverkündung steht bevor: Am 18.12.2008 entscheidet das OLG Stuttgart über den Hartplatzheldenfall.
    Bin sehr gespannt ob des Ausgangs!!
    Viele Grüße,
    Thomas

Trackbacks

  1. Diese Frage muss man mit einem klaren Ja beantworten, ginge es allein nach dem aktuellen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 08.05.2008 (Az. 41 O 3/08 KfH). Das Gericht hat in dem Verfahren des Württembergischen Fussballverbandes (WFV) gegen das Interne

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