Wikileaks & Recht – USA verlangt personenbezogene Daten von Twitter heraus

Laut britischen und zwischenzeitlich auch deutschen Medienberichten ist die Internetplattform Twitter vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium mit einer richterlichen Anordnung unter Androhung von Zwangsmaßnahmen (sog. „subpoena“) aufgefordert worden, verschiedene personenbezogene Daten von Unterstützern von Wikileaks herauszugeben.

In diesem Zusammenhang sollen offensichtlich die Daten der Twitter Konten von fünf Personen weitergegeben werden. Es handelt sich dabei neben Julian Assange wohl um den Soldaten Bradley Manning, der im Verdacht steht geheime Dokumente an Wikileaks weitergegeben zu haben, die zwei Programmierer Rop Gongrijp und Jacob Appelbaum und die Abgeordnete des isländischen Parlaments Birgitta Jonsdottir.

Die Anordnung ist nun an die Öffentlichkeit gelangt, indem Twitter ihrer üblichen Policy bei solchen Herausgabeverlangen entsprechend, die betroffenen Nutzer informiert hat, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich selbst rechtlich zu verteidigen .

Birgitta Jonsdottir, die sich nun auch entsprechend zur Wehr setzen möchte, hat den Vorgang auf ihrem Twitter Account wie folgt kommentiert:

@sugarbean555 @forumwikileaks @twitter thank you – if twitter hands over my information – then no ones information is save with twitterless than a minute ago via web

Im Guardian wird berichtet, dass zumindest seitens Wikileaks – bisher unbestätigt – vermutet wird, dass des Verteidigungsministeriums auch von Facebook und Google die Herausgabe entsprecheneder Informationen verlangt hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Übersicht von Google über staatliche Aufforderungen Daten herauszugeben bzw. Inhalte auf der Plattform zu löschen.

Naturgemäß sind Soziale Netzwerke und auch andere Internetplattformen bereits heute eine wichtige Quelle, um personenbezogene Daten zu ermitteln. Plattformbetreiber erreichen nicht selten Aufforderungen zur Herausgabe personenbezogener Informationen, bei denen rechtlich geprüft werden muss, ob diese herausgegeben werden müssen, aber natürlich auch ob diese aus Datenschutzgründen überhaupt herausgegeben werden dürfen. Es ist damit zu rechnen, dass diese Art des Vorgehens seitens des Staates, aber auch privater Anspruchssteller (z.B. wegen Urheber-, Wettbewerbsrechts- oder Markenrechtsverletzungen) in Zukunft eher mehr werden wird und somit aich weiterhin an Bedeutung gewinnen wird.

Tatsächlich ist auch in Deutschland die Herausgabe von Nutzerdaten aufgrund zivilrechtlicher Ansprüche aber auch im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen kein ungewöhnlicher Vorgang. Entscheidend ist, dass die gesetzlichen Regelungen etwaige Herausgabeansprüche hinreichend mit berechtigten Datenschutzinteressen der betroffenen Nutzer abwägen. Und tatsächlich finden sich in den insoweit einschlägigen deutschen Vorschriften gewisse Anforderungen, die vorliegen müssen, damit ein solches Herausgabeverlangen begründet und der betroffene Plattformbetreiber auch verpflichtet ist, entsprechende Daten herauszugeben. Auch wenn in diesem Themenfeld noch einiges umstritten ist und einzelne Regelungen sicherlich nachbesserungswürdig erscheinen, wäre das vorliegende Herausgabeverlangen der USA in Deutschland – auch wegen der erheblichen Zweifel an der Rechtswidrigkeit von Wikileaks selbst – so wohl nicht zulässig.1. Herausgabeverlangen im Fall Wikileaks

Twitter wird in der Anordnung wegen anhaltender strafrechtlicher Ermittlungen (wohl gegen Julian Assange) aufgefordert, verschiedene Daten herauszugeben.

Aus dem Wortlaut der Anordnung folgt, dass die USA nicht nur die E-Mailadressen und etwaigen Abrechnungsdaten (Zahlungsquellen, etwaige Kreditkartennummern) der benannten Nutzer herausverlangen, sondern auch verschiedene Verbindungsdaten, wie “connection records”, “session times” inklusive etwaiger IP-Adressen, über die der Twitter Account genutzt worden ist.

Obwohl höchst fraglich ist, ob den Betreibern von Wikileaks überhaupt strafrechtliche Vorwürfe gemacht werden können (vgl. auch ‚Der Fall Wikileaks – Zulässige Inanspruchnahme der Pressefreiheit oder rechtswidriger Geheimnisverrat‘) sollen im vorliegenden Fall also von der Plattform verschiedene sensible Informationen über das Nutzungsverhalten von Unterstützern von Wikileaks herausgegeben werden. Offensichtlich wird hier seitens des Verteidigungsministeriums versucht, weitere Argumente zu gewinnen, um gegen Julian Assange strafrechtlich vorzugehen.

2. Rechtslage und – wirklichkeit in Deutschland

Da ich mich in dem Beitrag ‚Darf bzw. muss der Plattformbetreiber bei einer Rechtsverletzung Daten des „schädigenden“ Nutzers herausgeben ?‘ schon intensiv mit der Herausgabe von Daten bei zivilrechtlichen Ansprüche beschäftigt habe, beschränke ich mich nachfolgend auf die Rechtslage im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen.

Meine Erfahrung deckt sich mit den Berichten der Kollegen Vetter und Stadler, die von den zahlreichen (teils informellen) Anfragen der Polizei oder Staatsanwaltschaft bei Internetplattformen aber auch Providern berichten.

In Deutschland hängt die Berechtigung entsprechender Auskunftsansprüche zunächst einmal davon ab, welche Art von Daten herausverlangt werden, weil danach zu beurteilen ist, weit in Datenschutzinteressen der Nutzer eingegriffen wird. Es wird dabei grundsätzlich zwischen sogenannten Bestands-, Verkehrs- und Inhaltsdaten unterschieden.

Bestandsdaten sind nach § 14 Abs. 1 TMG personenbezogene Daten des Nutzers, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses (z. B. Name, Anschrift, Rufnummer, E-Mail) zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind. Verkehrsdaten sind nach § 30 Nr.3 TKG weitergehende Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.

Während für Provider vor allem das Telekommunikationsgesetz (TKG) einschlägig ist, haben sich Internetplattformen zunächst einmal an §§ 14, 15 des Telemediengesetzes (TMG) zu orientieren. Dessen § 14 Absatz 2 TMG legt fest, dass Anbieter entsprechender Dienste Auskunft über Bestandsdaten erteilen dürfen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden des Bundes und der Länder erforderlich ist.

Für die Herausgabe weitergehender Daten müssen speziellere Ermächtigungsnormen vorliegen. So kann z.B. nach § 100 g Abs.1 StPO kann beim Vorliegen von bestimmten Tatsachen für eine Straftat von erheblicher Bedeutung bzw. bei einer Straftat bei der Telefon oder Computer unmittelbar zur Begehung von Straftaten dient , vom Telekommunikationsanbieter Auskunft über die Verbindungsdaten verlangt werden.

Auf etwaige Inhaltsdaten, also sämtliche übertragenen Informationen und Kommunikation aller Art, kann als stärkstem Eingriff im Strafverfahren nur auf der Grundlage des § 100 a StPO zugegriffen werden.

Da eine umfassendere Auseinandersetzung mit den einschlägigen Ermächtigungsnormen und deren Voraussetzungen hier allerdings den Rahmen sprengen würde, bleibt an dieser Stelle zumindest festzustellen, dass entsprechende Ermittlungsmöglichkeiten auch in Deutschland bestehen. Hierbei hat der Gesetzgeber eine Abwägung vorgenommen und die Herausgabepflicht von der Tiefe des Eingriffs in Datenschutzinteressen abhängig gemacht, indem die Ermächtigungsnorm von der Art der zu ermittelnden Daten abhängt. Bei verschiedenen Maßnahmen der Polizei oder der Staatsanwaltschaft bedarf es auch eines vorherigen gerichtlichen Beschlusses.

Klar ist also, dass – auch wenn in der Rechtswirklichkeit oft entsprechend kooperiert wird – nicht alle Herausgabeverlangen der Polizei oder Staatsanwaltschaft nach Nutzerdaten „bedient“ werden müssen. Zum einen muss ein hinreichender Verdacht einer Straftat vorliegen und zum anderen müssen die Voraussetzungen der entsprechenden gesetzlichen Ermächtigungsnorm vorliegen.

In Sachen Wikileaks wird in jedem Fall die weitere Entwicklung zu beobachten sein…

Weiterführend auch der Beitrag ‚Darf bzw. muss der Plattformbetreiber bei einer Rechtsverletzung Daten des „schädigenden“ Nutzers herausgeben ?‘ zu der Rechtslage bei zivilrechtlichen Ansprüchen

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Ich empfinde es langsam als Gefährlich wie sich der Fall entwickelt, ich möchte zwar in keiner Sekunde mich wertend über eine der Parteien äussern, dennoch stößt es mir bitter böse auf, das Leute welche, mit welchen Mitteln auch immer, für die Pressefreiheit kämpfen so verfolgt und ihr Privatumfeld so angriffen wird wie es derzeit der Fall ist.

    Der Artikel ist wie immer ausgezeichnet geschrieben und auch sehr neutral gehalten, jeder kann sich sein eigenes Bild von der Situation machen.

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