„Gekaufte“ Nutzermeinungen in Social Media – Rechtliche Grenzen in Deutschland und den USA

Das Internet ist heute wahrscheinlich das wichtigste Medium, wenn sich Verbraucher über Produkte und Dienstleistungen informieren wollen. Dabei spielen Aussagen anderer Verbraucher in sozialen Netzwerken a la Facebook, Twitter & Co ebenso eine Rolle, wie (Produkt-)bewertungsplattformen oder private und kommerzielle Blogs.

Die jeweiligen Aussagen stammen in den allermeisten Fällen nicht direkt von den werbenden Unternehmen, sondern in ganz vielen Fällen von Verbrauchern. Diese auch als „consumer generated media“ bezeichneten Aussagen spielen für Kaufentscheidungen eine bedeutende Rolle, weil es sich (positiv wie negativ) um authentische Eindrücke handelt, die sich angenehm von der Hochglanzwerbung der Unternehmen selbst abheben und insoweit bei vielen eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit genießen. Die Verbrauchermeinung bekommt über die Sozialen Medien insofern eine größere Reichweite. Für die Unternehmen bekommt die kommunizierte Verbrauchermeinung im Internet damit eine höhere Relevanz, was schlussendlich zu mehr „Macht“ beim Verbraucher führt.

Was aber, wenn es sich bei den Aussagen nicht um ehrliche Verbrauchermeinungen handelt, sondern um von den Unternehmen „eingekaufte“ Aussagen. Nicht nur in den USA ist es weit verbreitet, dass reichweitenstarke Blogger oder auch Twitterer mit Geld oder Sachgeschenken freundlich gestimmt werden, damit die Produkte oder Services des Unternehmens dann auch über deren jeweiliges Medium in positivem Licht dargestellt werden.

Darüber hinaus bietet das moderne Internet eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, die Verbrauchermeinung in rechtlich unzulässiger Art und Weise zu manipulieren. Beispiele gibt es genug. Teilweise werden die eigenen Produkte von Unternehmensseite unter einem Pseudonym auf Amazon oder anderen Bewertungsplattformen mit positiven Bewertungen versehen. Oder es werden vermeintlich private Facebook oder Twitter Accounts angelegt, über die dann schlussendlich die eigenen werblichen Aussagen oder die gewünschte Meinung unter dem Deckmantel privater Kommunikation verteilt werden.

In den USA hat die Handelsbehörde FTC im letzten Jahr spezifische Regeln eingeführt, um diesem ausufernden Phänomen Herr zu werden. Nach der Vorstellung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen in den USA, soll nachfolgend auch die deutsche Rechtslage zu diesem Themenkreis erläutert werden.

I. Rechtslage in den USA

Seit letztem Jahr gelten in den USA die FTC Guidelines “Use of endorsements and testimonials in advertising”, die beim Werben über Blogs und andere Social Media Kanäle besondere Vorgaben vorsieht.

Gemeint sind die Fälle, bei denen z.B. ein Blogger im Hinblick auf eine Berichterstattung über bestimmte Produkte oder Services Sachgeschenke oder Geld erhält (sogenannter „endorser“) oder (bekannte) Personen gegen entsprechende Gegenleistungen tatsächlich im Zusammenhang mit einem bestimmten Produkt als sogenannte „testimonials“ eingesetzt werden. Mit den FTC Richtlinien soll für die notwendige Transparenz gesorgt und die „truth in advertising„ gefördert werden.

Berichten „endorser“ oder „testimonials“ im Internet über ein bestimmtes Produkt, so sieht das Gesetz zwingend einen klaren und leicht aufzufindenden Hinweis („clear and conspicious discosure“) z.B. bei dem jeweiligen Blogartikel vor, in dem die Leser über das (Rechts-)verhältnis zwischen dem werbenden Unternehmen und dem „endorser“ aufgeklärt werden. Von einem „endorser“ ist bereits dann auszugehen, wenn der jeweilige Blogger eine Probe oder ein Testgerät übersandt bekommen hat.

Findet sich bei Blogbeiträgen oder anderen Einträgen in den Sozialen Medien trotz einer entsprechenden Begünstigung kein solcher Hinweis, so liegt ein klarer Gesetzesverstoss vor.

Damit aber noch nicht genug: Nach den Guidelines ist das werbetreibende Unternehmen nicht nur dafür verantwortlich, dass der Blogger einen rechtskonformen Disclaimer veröffentlicht, sondern auch, dass sich in dem jeweiligen Beitrag keine Informationen finden, die für den Verbraucher irreführend (z.B. objektiv falsche Angaben) sein könnten.

Für die Einhaltung dieser Vorgaben haftet also das jeweilige Unternehmen. Dies führt dazu, dass die werbetreibenden Unternehmen entsprechende interne Prozesse aufsetzen müssen, die die Blogger und andere Begünstigte über die rechtlichen Vorgaben informieren und die Einhaltung und Inhalte auch kontrollieren. Viele Unternehmen, die mit Werbeagenturen arbeiten, verpflichten diese Dienstleister deshalb vertraglich, bei entsprechenden Social Media Aktionen für die Einhaltung dieser Pflichten zu sorgen.

Unternehmen, die auch amerikanische Endverbraucher ansprechen (z.B. durch englischsprachige Inhalte auf Facebook) sollten prüfen, ob FTC Guidelines bei entsprechenden Aktionen einschlägig sind und gegebenenfalls für die Beachtung der Richtlinien zu sorgen, um entsprechend Wettbewerbsverstöße in den USA zu vermeiden.

Im Rahmen meines kürzlichen Besuches der inhaltlich sehr spannenden Konferenz Pubcon in Las Vegas hatte ich die Gelegenheit, mit amerikanischen Rechtsanwälten das Thema und deren Erfahrungen zu besprechen. Nachdem diese mir berichtet haben, dass entsprechende Fälle immer häufiger auftreten, ist durchaus wahrscheinlich, dass die Relevanz dieses Problemkomplexes auch in Deutschland zunehmen wird.

II. Rechtslage in Deutschland

Rechtliche Grenzen für Werbung ergeben sich in Deutschland zunächst einmal aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Das UWG verbietet unter den verschiedenen Ziffern des § 4 UWG verschiedene Verhaltensweisen. Entsprechende Rechtsverletzungen können grundsätzlich aber nicht von jedermann geltend gemacht werden, sondern begründen – bis auf wenige Ausnahmenden – nur Ansprüche der jeweiligen Wettbewerber (also der Anbieter vergleichbarer Waren oder Dienstleistungen) auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz.

Wird werbliche Kommunikation von Unternehmen (oder deren Agenturen) bewußt verschleiert, indem man Dritte gesteuert dazu bringt, unter dem Deckmantel vermeintlich privater und unbeeinflusster Aussagen, Werbebotschaften in die Welt zu tragen, so ist das auch nach deutschem Recht als Verstoß gegen § 4 Nr.3 UWG wettbewerbswidrig. Dabei wird werbliche Kommunikation sehr weitreichend interpretiert, als jedes Handelns im geschäftlichen Verkehr, welches eigenen oder fremden kommerziellen Interessen dient. Genauso wettbewerbswidrig ist auch, wenn Unternehmen oder deren Webeagenturen selbst tätig werden und z.B. mit scheinbar privaten Profilen (sprich Fake-Profilen) werbliche Inhalte im Internet veröffentlichen.

Neben § 4 Nr.3 UWG können solche „gekauften“ Konsumentenmeinungen auch gegen die Nr.11 der sogenannten „Schwarzen Liste“ verstoßen, die als Anhang dem UWG beigefügt ist und 30 Verhaltensweisen aufführt, die immer wettbewerbswidrig sind. Darüber hinaus sehen auch § 6 Abs.1 Nr TMG (=Telemediengesetz) und § 58 Abs.1 S.1 RfStV (Rundfunkstaatsvertrag) vor, daß werbliche Kommunikation regelmässig auch als solche kenntlich gemacht wird.

Und auch in Deutschland wird in den Fällen „gekaufter“ Blogbeiträge, die nicht entsprechend als werbliche Kommunikation erkennbar sind, nicht nur der Blogger verantwortlich gemacht werden können, sondern in in den meisten Fällen auch das beauftragende Unternehmen. § 8 Abs.2 UWG sieht nämlich eine Zurechnung zum Unternehmen immer dann vor, wenn ein Beaftragter ohne Mitarbeiter zu sein, im oder für das Unternehmen eines anderen auf Grund eines vertraglichen oder anderen Verhältnisses tätig ist. Damit ist wohl nicht nur das wettbewerbswidrige Verhalten solcher „Laienwerber“ und Werbestars (oder „testimonials“) als solches zurechenbar, sondern wohl auch deren Inhalt. Finden sich dort also Informationen, die den Verbraucher irreführen (vgl. § 5 UWG), so kann das Unternehmen – wie in den USA – auch für die täuschenden Inhalte verantwortlich gemacht werden.

Nachdem im Grundsatz sowohl das Unternehmen, als auch der „Laienwerber“ jeweils auf Unterlassung ihres Tatbeitrages in Anspruch genommen werden können, kann ein Wettbewerber entscheiden, ob gegen einen oder auch gegen beide vorgegangen werden soll.

Auch in Deutschland ist Unternehmen insofern dringend zu raten, die „Laienwerber“ entsprechend anzuweisen und dafür zu sorgen, dass diese die „Beziehung“ zum Unternehmen nicht nur transparent machen, sondern auch die Inhalte nicht gegen Wettbewerbsrecht (z.B. wegen Irreführung) verstoßen

III. Zusammenfassung

Tatsächlich bietet das Social Web Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, werbliche Kommunikation anonym oder unter dem Deckmantel privater Äußerungen im Internet zu streuen.

In vielen Fällen wird es aber möglicherweise schwierig sein, diesen Mißbrauch aufzudecken. Auch wenn gerade im Internet gesetzliche Eingriffe immer wieder „verteufelt“ werden, so muss es eigentlich im Interesse der Verbraucher, aber auch der Glaubwürdigkeit des „Mitmachweb“ sein, entsprechend verschleierte Werbung nachhaltig zu verbieten.

Wie oben dargestellt, bestehen sowohl in Deutschland, als auch in den USA die hierfür erforderlichen, gesetzlichen Grundlagen, damit Unternehmen auch tatsächlich dagegen vorgehen können, wenn ein Konkurrent sich mit solch unzulässigen Maßnahmen Wettbewerbsvorteile verschaffen möchte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass man sowohl in den USA als auch bei uns diese Notwendigkeit erkannt und die Grenzen ähnlich „abgesteckt“ hat.

Auch wenn der Nachweis eines Mißbrauchs im Einzelfall schwierig sein kann, bestehen mit entsprechendem technischen Sachverstand immer wieder Möglichkeiten, einen Verstoß nachzuweisen. So gibt es bereits einzelne Werkzeuge, die gefälschte Profile erkennen können. In Einzelfällen begehen die „Täter“ auch triviale Fehler bei der Verschleierung (vgl. Verdeckte Eigenbewertung auf Amazon & Co – Unangenehm und wettbewerbswidrig .

Gute erste Indizien, die – je nach der jeweiligen Fallkonstellation – für gefälschte oder gekaufte Einträge sprechen können sind:

• Werbetypische Wortwahl
• Formulierungen, die genau mit offiziellen Werbeträgern übereinstimmen
• Übertriebene „Lobeshymnen“
• Bewertender Nutzer war nur einmal auf der Plattform, um ein Produkt zu bewerten

Bisweilen erlauben auch spezifische Informationen aus dem Profil des bewertenden Nutzers weitere Rückschlüsse.

Mit der weiter wachsenden Bedeutung des Social Web werden auch die Versuche weiter zu nehmen, die Meinungsbildung der Verbraucher in unzulässiger Art und Weise zu manipulieren.

Auch wenn gerade bei Rechtsverletzungen im Social Web unmittelbare rechtliche Maßnahmen nicht immer der richtige Weg sind, halte ich es für durchaus nachvollziehbar (teilweise sogar erforderlich), wenn gegen Wettbewerber (und auch gegen Werbeagenturen) mit entsprechend kommerziellen Interessen, die diese anerkannten Grenzen notwendiger Transparenz und der „truth in advertising“ in grober Weise verletzen, entsprechend vorgegangen wird.

Geschieht dies über Social Media Plattformen dritter Anbieter, wie z.B. Facebook oder Twitter, so ist aus strategischer Sicht – zusätzlich zu Maßnahmen gegen den Konkurrenten – zu erwägen, auch den jeweiligen Plattformbetreiber von dem Rechtsverstoß in Kenntnis zu setzen. Nachdem dieser nach den Grundsätze der Haftung für nutzergenerierte Inhalte selbst verantwortlich gemacht werden kann, wenn Rechtsverstöße nach Kenntnis nicht gelöscht werden, sorgt dies häufig für eine kurzfristige Löschung und damit sehr schnelle Abhilfe. Reagiert der Plattformbetreiber nämlich nicht, kann auch dieser für die wettbewerbswidrigen Beiträge haftbar gemacht werden.

Unternehmen, die das Verschleierungsverbot und die übrigen werberechtlichen Grenzen beachten, bietet das Social Web allerdings – nach wie vor – spannende neue Möglichkeiten. Wer hier die richtigen „Botschaften“ absetzt und sich auch ein Stück auf den Dialog mit den Nutzern und Verbrauchern einlässt, hat gute Chancen diese deutlich nachhaltiger zu erreichen, als mit etablierte Werbeformen wie Zeitungsanzeigen oder auch TV- und Radiospots. Vielleicht schafft man es so sogar, Nutzer zu echten Aussagen zu den eigenen Produkten oder Services zu bewegen…

Weiterführend:
Neues Marketing – und Werberecht – Aktuelle Änderungen des UWG und deren Auswirkungen
Social Media Marketing & Recht – Dos and Donts beim Werben im Social Web
Social Media Marketing & Recht – Nutzungsbedingungen begrenzen Werbemöglichkeiten

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Sehr geehrter Herr Dr. Ulbricht,

    mein Kommentar zu Ihrem Beitrag, ich sage es vorweg, ist aus persönlichen Gründen sehr emotional.

    Das Marketinginstrument „Werbung“ ist ein Geschäftszweig, der in hohem Maß den Absatz reguliert und den Mark gestaltet. Konkurenzkampf und Werbung haben in unserer Gesellschaft mit den Jahren einen hohen Stellenwert eingenommen, dass sich, wie Sie schreiben, der Gesetzgeber veranlasst sieht, unlauteren Wettbewerb auszuschließen und die Verbraucher oder ins Moderne übersetzt, die „User“, vor Missbrauch zu schützen.
    Das Gesetz gewährleistet einen gewissen Schutz. Aber wo bleibt die ethische Verantwortung bei der Gestaltung der Werbung? Sinn und Zweck der Werbung ist, die Ware an den „Mann“ zu bringen. Manipulation darf aber niemals Aufgabe der Werbung sein. Es bedarf der sachlichen Information, die zu einer verantwortlichen Kaufentscheidung beiträgt.

    „Transparenz und Glaubwürdigkeit“ muss, wie der PR-Blogger „Klaus Eck“ in seinem neuesten Buch schreibt,oberster sittlicher Grundsatz sein und bleiben. Nur das führt zu nachhaltigem Erfolg, davon bin ich felsenfest überzeugt.

    Und wenn mir einer schreibt: „Alles, war Super, alles war Top, Preis und Leistung haben super gepasst“, da lange ich mir als mündiger Leser, entschuldigen Sie bitte, an den Kopf. Bei einem neugegründeten Unternehmen, Forum oder sonst was, kann das gar nicht sein. Kein Mensch ist perfekt.

    Herzliche Grüße, frohe Weihnachten und einen guten Start ins Neue Jahr wünscht Ihnen aus Ihrer alten Heimat
    Christa Schwemlein

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