Heftig.co & Urheberrecht – Ein erfolgreiches, aber riskantes Geschäftsmodell

Seit Kurzem stürmt die Viralseite www.heftig.co mit emotionalisierenden Überschriften und aller Arten von Bildern und Videos zahlreiche Besuchercharts im Internet. Erst kürzlich konnte sich das relativ junge Portal mit Überschriften wie

„Erst dachte ich, diese Fotos können nicht echt sein, Ich versichere dir: Das ist alles echt und extrem faszinierend.“

oder

„Sie haben die Feuerwehr gerufen, weil es brannte. Dann machten sie eine unerwartete Entdeckung“

in nur 6 Monaten über 740.000 Facebook Fans und einen Platz unter den Top 100 der deutschen Medienmarken erobern .

Die Betreiber setzen dabei weniger auf journalistischen Anspruch als auf Unterhaltung und als wesentlichen Erfolgsfaktor auf die Verbreitung der Beiträge über die Sozialen Medien (wohl über 85% der Besucher kommen über Facebook & Co auf die Seite). Diese Zahlen zeigen das (von vielen Medien noch ungenutzte) Verbreitungspotenzial von Social Media. Derzeit vergeht kaum ein Tag, in dem auf Facebook nicht diverse Artikel von Heftig & Co kursieren und (weiter-)empfohlen werden.

Ein Geschäftsmodell – welches ähnlich den US-amerikanischen Vorbildern Buzzfeed oder Viralnova – ganz offensichtlich auch in Deutschland schnell zu steigenden Besucherzahlen führt. Bei den beeindruckenden Klickzahlen (nach eigenen Angaben 27,6 Millionen Visits im April ) dürften über die Werbevermarktung zwischenzeitlich auch ganz erkleckliche Umsätze erzielt werden.

Nachdem sich einige Webseiten auf die Suche nach den tatsächlichen Betreibern gemacht haben, ist zwischenzeitlich nicht mehr eine Firma aus Belize im Impressum hinterlegt, sondern die Potsdamer Firma DS Ventures GmbH mit ihren beiden Geschäftsführern.

Zwischenzeitlich wird in diversen Medien auch die urheberrechtliche Frage diskutiert, ob eine Plattform entsprechende (Viral-)Inhalte aus dem Internet sammeln und einfach in direkt übersetzter Form veröffentlichen darf. Aussagen der Macher von heftig.co aus einem Interview mit der Rhein-Zeitung lassen vermuten, dass man sich über die urheberrechtliche Bewertung solcher viraler Inhalte und der damit einhergehenden Risiken nicht wirklich im Klaren ist.

Der nachfolgende Beitrag soll deshalb erläutern, was bei solch (grundsätzlich interessanten) Geschäftsmodellen aus urheberrechtlicher Sicht beachtet werden sollte und welche Risiken für die diversen Viraplattformen beim unreflektierten Weiterverbreiten solcher Inhalte für die Betreiberfirma, die Geschäftsführer bzw. teilweise auch den Vermarkter drohen.

A. Urheberrechtsschutz von Inhalten im Internet

Tatsächlich setzt sich der Betreiber einer solchen Viralplattformen je nach Art der übernommenen Inhalten urheberrechtlichen Ansprüchen diverser Rechteinhaber aus, wenn Inhalte die im Internet kursieren ohne klare und nachweisbare Klärung der Rechte (weiter-)verbreitet werden.

I. Texte und Übersetzungen

Bereits 2008 hatte ich in meinem Beitrag „Contentdiebstahl & Recht – Vorgehen gegen die Übernahme von Texten im Internet“ ausführlicher erläutert, welche Ansprüche bei der Übernahme von Texten bestehen.

Wer Texte mit der notwendigen Schöpfungshöhe (§ 2 Abs.2 UrhG) ohne Zustimmung des Urhebers veröffentlicht, verstößt in aller Regel gegen Urheberrecht. Gleiches gilt für denjenigen, der urheberrechtlich geschützte Texte (etwa aus dem Englischen) übersetzt und als Bearbeitung bzw. Umgestaltung im Sinne des § 23 UrhG im Internet einstellt, ohne dass der Berechtigte der Veröffentlichung des übersetzten Textes zugestimmt hätte.

Die Folge sind in der Regel Unterlassungs- und von der Nutzungsdauer abhängige Schadenersatzansprüche des Inhabers der Rechte an dem Originaltext (d.h. bei Übersetzungen des Rechteinhabers des englischen Textes).

II. Fotos und Videos

Fotos sind nach deutschem Urheberrecht unabhängig von einem kreativen Anspruch des Bildes als Lichtbildwerk (§ 2 Abs.1 Nr. 5 UrhG) oder Lichtbild (§ 72 UrhG) in jedem Fall urheberrechtlich geschützt. Bei Videos dürfte dies in aller Regel nach § 2 Abs.1 Nr.6 UrhG ebenfalls gewährleistet sein.

Wer solche Inhalte auf eigenen Servern im Internet veröffentlicht, verletzt in jedem Fall die Rechte des Urhebers auf Vervielfältigung (§ 16 UrhG), Verbreitung (§ 17 UrhG) und der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG).

Offen ist weiter die Frage, wie das auf entsprechenden Plattformen häufig praktizierte Einbinden von Videos (z.B. von Youtube) urheberrechtlich zu bewerten ist. Wie in dem Beitrag „Video Embedding – Rechtliche Probleme bei der Einbindung fremder Inhalte“ ausführlich erläutert, dürfte sich das Einbinden immer dann als urheberrechtlich unproblematisch darstellen, wenn der Rechteinhaber das Video hochgeladen und zur Einbindung freigegeben hat.

Hat jedoch „irgendein“ Dritter das Video auf einer Plattform wie Youtube hochgeladen, kann dieser natürlich auch keine Nutzungsrechte zur Einbindung vermitteln. Ob das Einbinden dann als urheberrechtswidrig anzusehen ist, wird wohl noch dieses Jahr vom Europäischen Gerichtshof entschieden werden (vgl. „Bundesgerichtshof legt Frage der zum Einbetten fremdet Inhalte dem Europäischen Gerichtshof vor“).

B. Rechtfertigung durch Quellangabe ?

Heftig.co fügt den eigenen Artikeln seit Kurzem eine Quellangabe bei, die auf den (vermeintlichen) Originaltext verlinkt (z.B. Andrey Pavlov via Viralnova). 

Entsprechende Quellangaben allein werden Viralplattformen bei ungenügender Klärung der Rechte aber nicht helfen.

Nach deutschem Recht genügt dies einer Zulässigkeit nach dem in § 51 UrhG geregelten Zitatrecht jedenfalls nicht. Abgesehen davon, dass Bild- und Videozitate nur in den seltensten Fällen zulässig gestaltet sind,  mangelt es in aller Regel an dem notwendigen Zitatzweck.

Auch nach US-amerikanischen Recht ist es mit den Quellhinweisen nicht ohne weiteres getan. US-Vorläufer wie Buzzfeed, Reddit oder Viralnova begründen ihre Veröffentlichungen oft mit der sogenannten Fair Use Regel. Diese besagt, dass urheberrechtlich geschütztes Material auch ohne ausdrücklich Zustimmung des Urhebers verwendet werden darf, wenn spezifische Voraussetzungen vorliegen, die – verkürzt gesagt – die Verwertungsinteressen des Urhebers nicht in entsprechendem Maß beeinträchtigen.

Das Eingreifen des Fair-Use Grundsatzes hängt ab von

  • dem jeweiligen Zweck und der Art der Verwendung, einschließlich der Frage, ob eine solche Verwendung eher kommerzieller Natur ist oder anderen (z.B. gemeinnützigen) Zwecken dient
  • der Art des urheberechtlich geschützten Werks
  • der Anzahl und Ausmaß des verwendeten Auschnitts oder Teils im Verhältnis zum urheberrechtlich geschützten Gesamtwerk
  • und den Auswirkungen bzw. der Mehrwert der Verwendung des urheberrechtlich geschützten Werks auf bzw. für den potenziellen Markt.

Insofern kann ein Quellhinweis bei Einhaltung der sonstigen Voraussetzungem helfen. Das das Eingreifen der Fair-Use Klausel für solche Viralseiten aber auch in den USA noch sehr fraglich ist, zeigt die Klage eines Fotografen gegen Buzzfeed auf 3,6 Millionen Dollar wegen der (viralen) Verbreitung eines Bildes. Auch wenn die Forderungshöhe sogar nach US-amerikanischem Recht deutlich übersetzt erscheint, zeigen sich auch insofern erhebliche urheberrechtliche Risiken.

C. Urheberrechtliche Risiken bei Viralseiten a la Heftig.co

Die schlichte Übernahme fremder (übersetzter) Texte, Bilder und Videos stellt sich ohne entsprechende Zustimmung des Rechteinhabers nach deutschem Recht in aller Regel als Urheberrechtsverletzung dar. Der Rechteinhaber kann im Wege der Abmahnung oder Klage Unterlassungs-, Kostenerstattungs- und Schadenersatzansprüche gegen die Betreiberfirma (bzw. in vielen Fällen auch gegen die Geschäftsführer persönlich) geltend machen. Die Höhe des Schadens wird in aller Regel im Wege der sogenannten Lizenzanalogie berechnet und kann – je nach Dauer der urheberrechtswidrigen Nutzung – zu nicht unerheblichen Forderungen führen.

Ob deutsches oder ein fremdes nationales Urheberrecht Anwendung findet, richtet sich nach dem sogenannten Schutzlandprinzip. Es besagt, dass das nationale Recht Anwendung findet, für das Schutz beansprucht wird. So ist – je nach Tatort, Angebotsstaat und Abrufstaat der Urheberrechtsverletzung – auch für eine in Deutschland betriebene Webseite denkbar, dass sie in den USA nach amerikanischem Urheberrecht verklagt wird.

Doch dem nicht genug: Die unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke ist strafrechtlich relevant und kann nach § 106 UrhG mit Freiheitstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Bei gewerblicher Verbreitung, die bei Viralseiten, die mit Werbung Geld verdienen problemlos angenommen werden dürfte, droht nach § 108a UrhG sogar Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren. Und auch für Vermarkter sind systematische Urheberrechtsverletzungen ein Risiko, da von Beihilfe zu den oben genannten Straftaten ausgegangen werden kann, wenn man entsprechende Urheberrechtsverletzungen für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.

D. Resümee

Es ist unbestreitbar, dass die spannenden Entwicklungen des Internet  das Urheberrecht vor viele neue Fragen und Herausforderungen stellen. In dem Beitrag „Schreckgespenst ACTA ?! – Urheberrechtsdilemma, Informationsdefizite und der Versuch einer differenzerten Betrachtung“ hatte ich erläutert, warum das Urheberrecht dringend überarbeitet werden muss. Nicht selten steht das Urheberrecht auch spannenden neuen Geschäftsmodellen im Weg.

Plattformen, die Inhalte unter Mißachtung urheberrechtlicher Grundsätze und legitimer Interessen der Urheber schlicht übernehmen und hierauf ihre Vermarktungserfolge erzielen, stehen allerdings zu Recht in der Kritik. Trotz berechtigter Diskussionen um Details des Urheberrechts zeigt die „Selbstbedienungsmentalität“ mancher Plattformen die Notwendigkeit des Schutzes kreativer Werke und der Verwertungsinteressn der Urheber von Texten, Fotos, Audio- und Videoinhalten.

Da das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung in jedem Einzelfall zu prüfen ist, kann die urheberrechtliche Konformität von Heftig.co natürlich nicht pauschal beurteilt werden. Die  Antworten auf einige Fragen der Rhein-Zeitung  lassen jedoch an der notwendigen Klärung der Rechte zweifeln. Der Hinweis, dass die virale Verbreitung ja allgemein gewollt sei oder Plattformen in den USA die Rechte ja auch nicht kläre oder nicht erreichbar sei, wird im Fall der Fälle sicher nicht helfen…

Um es deutlich zu sagen: Nur weil der Urheber einen Text, Bild oder Video ins Internet stellt, kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass Inhalte an anderer Stelle veröffentlicht werden dürfen (spezifische Ausnahmen – die im Einzelfall aber zu prüfen sind – können sich aus der sog. Vorschaubilder Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ergeben).

Plattformen, die mit fremden Inhalten agieren, sollten sich zur Vermeidung der aufgezeigten Risiken deshalb mit den urheberrechtlichen Hintergründen auseinandersetzen. Trotz einiger Unwägbarkeiten gibt es – nicht zuletzt im Hinblick auf die Möglichkeiten und Entwicklungen der Sozialen Medien – einige spannende neue Ansätze (User Generated Content, Embedding, Creative Commons etc) fremden Content rechtskonform einzusetzen…

Weiterführend:

Social Commerce & Recht – Warum Pinterest & Co kein Problem mit dem Urheberrecht haben

Video Embedding – Rechtliche Probleme bei der Einbindung fremder Inhalte

Bundesgerichtshof legt Frage der zum Einbetten fremdet Inhalte dem Europäischen Gerichtshof vor

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

Comments

  1. Heiner says:

    Man kann auch Urheberrechtsverletzungen mit seinem Geschäftsmodel gezielt in Kauf nehmen, wenn die Kosten für die paar Abmahnungen im Hinblick auf den satten Gewinn der übrigen ungeahndeten Urheberrechtsverstöße unbedeutend sind. Bliebe dann nur noch ggf. ein kleines strafrechtliches Problem.

    • culbricht says:

      Kann man versuchen. Sollten Urheberrechtsverletzungen aber tatsächlich systematisch begangen werden, halte ich das für ein gefährliches Spiel, welches nicht lange gut gehen und sich am Ende wohl auch nicht lohnen dürfte. Allerdings versuchen manche Anbieter mit entsprechend „schwierigen“ Geschäftsmodellen dann über entsprechende Konstruktionen einer Betreiberfirma im Ausland schwer entdeck- und verfolgbar zu bleiben….

      • dandyandy says:

        Systematische Urheberrechtsverletzung funktioniert schon lange, dafür muss sich die Firma nicht mal im Ausland verstecken. Les doch mal ab und zu die Bild Zeitung, die veröffentlichen generell Bilder ohne Zustimmung der abgelichteten Personen, und bis die Person das merkt ham sie schon genug verkauft dass es sich gelohnt hat, bis die Unterlassungsverfügung durch ist, sowieso. Von daher….
        Hier nochmal ein Beispiel für systematische Urheberrechtsverletzung, ist zwar Reinster Boulevardjournalismus aber wenn du Verfügungen durch sind, sind die Exemplare schon lange gedruckt und verkauft http://www.bildblog.de/ressort/bunte/

    • Googles YOUTUBE arbeitet seit Jahren genau so.
      Die Rechteinhaber beschweren sich darüber seit Jahren, dem Publikum gefällts. Und der Presse ebenso;
      bis die selbe Presse dann plötzlich selbst an der kostenlosen Internet-Angel hingen und ihnen ebenfalls die Käufer abhanden kamen und kommen.

      • culbricht says:

        Das ist so nicht ganz richtig. Youtube veröffentlicht nicht selbst die Videos, sondern bietet nur eine Plattform auf der Dritte Videos hochladen können. Das macht nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich einen erheblichen Unterschied (siehe http://www.rechtzweinull.de/archives/108-Haftung-fuer-User-Generated-Content-Grundsaetze-und-Hinweise-fuer-die-Praxis.html ). Youtube kann die Rechtskonformität der von Dritte eingestellten Videos nicht kontrollieren. Deshalb gilt docrt „nur“ der Notice-and-Takedown Grundsatz. Für selbst eingestellte Inhalte (siehe heftig.co) haftet man selbst unmittelbat für etwaige Urheberrexchtsverletzungen.

        • Klaus M. says:

          „Youtube veröffentlicht nicht selbst die Videos, sondern bietet nur eine Plattform auf der Dritte Videos hochladen können“
          Ich kann sie nicht mehr hören, diese von einem unwissenden Publikum nachgeplapperte Ausrede all dieser Anbieter: Wir haben’s ja nicht selbst geklaut. … wie sind ja „nur“ die HEHLER.
          Aber wer kassiert? Wird größer und reicher? Google.
          Und an wen wendet man sich, wenn man Einsprüche hat? Und an wen wendet sich die NSA? Und das Finanzamt? An John Doe, der’s hochgeladen hat? Nee, natürlich an Google.

  2. Sehr informativer Artikel, danke! Wie ist es mit Seiten wie dem in den USA so gehypten Lockerdome.com, die ausschließlich Links setzen. Solch ein Konzept wäre doch ein rechtlich sauberer Weg auch in Deutschland, korrekt?

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