LG Hamburg: Videoportal Youtube haftet als Mitstörer für rechtswidrige Videos

Bereits im April 2008 hatten wir über einen drohenden Rechtsstreit gegen die Videoplattform Youtube berichtet, indem die Witwe des ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden wegen eines rechtsradikalen Videos gegen die Plattformbetreiber vorgehen wollte.

Zum damaligen Hintergrund:

Stein des Anstoßes sei unter anderem ein Video, auf dem ein Porträt des mittlerweile verstorbenen Zentralrats-Präsidenten Paul Spiegel verbrannt wird. Der rechtsradikale Hintergrund dieser Tat werde durch Hakenkreuzsymbole zusätzlich herausgestellt. YouTube habe dieses Video monatelang zur Verfügung gestellt.

Die Videoplattform eigne sich damit sehr gut zur Verbreitung von braunem Gedankengut: „Die rechte Szene nutzt Youtube massiv als Plattform“, mahnt der Generalsekretär. Ein wirksames Vorgehen der Betreiber sei hingegen nicht erkennbar. YouTube wies diese Vorwürfe bisher entschieden zurück. Auf einer Veranstaltung mit dem Titel „Laut gegen Nazis“ in Hamburg äußerte sich Google-Sprecher Kay Oberbeck noch dahingehend, dass Google sich seiner Verantwortung in diesem Bereich bewusst sei.

PC Welt vom 22.03.2008

Zwischenzeitlich hat das LG Hamburg (Urt. v. 05.12.2008 – Az.: 324 O 197/08) geurteilt und entschieden, dass die Betreiber der Videoplattform ihren Prüfungspflichten nicht hinreichend nachgekommen sind und insoweit als Mitstörer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können.

Auch in diesem Rechtsstreit kam es entscheidend auf die Frage an, unter welchen Voraussetzungen ein Plattformbetreiber für die (rechtsverletzenden) Inhalte haftbar gemacht werden kann, die Dritte dort hochladen und damit veröffentlichen.

I. Die Grundsätze der Mitstörerhaftung

Unterlassungsansprüche können nur insoweit begründet werden, wenn einem Plattformbetreiber nachgewiesen werden kann, dass entsprechende Überwachungspflichten nicht eingehalten worden sind. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob und wann der der Betreiber von dem rechtsverletzenden Inhalte Kenntnis erlangt hat und wie er ab Kenntnis gehandelt hat. In der Regel sind Seitenbetriber auf der sicheren Seiten, wenn sie den sogenannten „notice and takedown“ Grundsatz beachten. Aber auch nach dem Löschen sollte darauf geachtet werden, dass die technisch möglichen und zumutbaren Prüfungs- und Überwachungsmechanismen eingehalten werden (mehr dazu in meinem Beitrag Haftung für User Generated Content – Grundsätze und Hinweise für die Praxis)

II. Die Entscheidung des LG Hamburg

Vorliegend war das streitgegenständliche Video offensichtlich seit 2007 auf der Plattform. Ein halbes Jahr später hatte eine Mitarbeiterin des Unternehmens dieses offensichtlich als bedenklich identifiziert und mit Hilfe es sogenannten „Flaggings“ entsprechend gekennzeichnet. Dieses „Flagging“ bietet Youtube (und auch vielen anderen Plattformen) als Frühwarnsystem an, um bedenkliche oder rechtswidrige Inhalte zu kennzeichnen. Spätestens durch das „Flagging“ ist von Kenntnis des Plattformbetreibers auszugehen. Wird dann nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums geprüft und entsprechend reagiert (d.h. bei Rechtswidrigkeit des Videos gelöscht) ist auch der Plattformbetreiber in der Haftung.

Das LG Hamburg geht in seinem aktuellen Urteil (Urt. v. 05.12.2008 – Az.: 324 O 197/08) daher zu Recht von einer Verantwortlichkeit von Youtube ausgegangen.

III. Praxistipps für Plattformbetreiber

Bei Beachtung der nachfolgend aufgeführten Grundsätze kann die Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers für – oft schwer zu kontrollierende – nutzergenerierte Inhalte minimiert werden:

1. Gestaltung der Nutzungsbedingungen

Die Nutzungsbestimmungen (oder AGB) sollten klar regeln, was auf der Plattform erlaubt ist und was nicht. Insofern sollten Regelungen aufgenommen werden, die bestimmen, dass nur Inhalte hochgeladen werden dürfen, an denen der User entsprechende Nutzungsrechte innehat. Auch sollte das Einstellen von sonstigen, rechtswidrigen Inhalten wie rassistische, fremdenfeindliche, diskriminierende oder beleidigende Inhalte verboten werden. Entsprechende Regelungen werden von Gerichten in der Regel zugunsten der Plattform gewertet.

2. Kennzeichnung fremder Inhalte

Um die Annahme eines Zu-Eigenmachens zu vermeiden, sollte auf der Seite erkennbar sein, dass es sich um User Generated Content handelt. Dies wird in aller Regel realisiert, indem der jeweilige Nutzername (ggfls mit Bild) im Zusammenhang mit dem Inhalt erscheint.

3. Kontrolle der Inhalte bei Kenntnisnahme

Die wichtigster Maßnahme um eine etwaige Haftung aus Sicht des Diensteanbieters zu vermeiden, ist die Einhaltung des „notice-and-takedown“-Grundsatzes. Sobald der Plattformbetreiber von einem rechtswidrigen Inhalt Kenntnis erlangt, sollte er diesen ggfls. nach entsprechender Prüfung unverzüglich löschen.

4. Beachtung der Prüfungspflichten

Der BGH hat entschieden, dass den Plattformbetreiber ab Kenntnisnahme von einem rechtswidrigen Posting die Pflicht trifft, diesen nicht nur zu löschen, sondern dafür Sorge zu tragen, dass „kerngleiche“ Verstösse auf der Plattform nicht wieder auftreten. Um dieser Pflicht genüge zu tun, hat der Anbieter die technisch möglichen und zumutbaren Prüfungsmechanismen zu installieren. In Anbetracht der technischen Möglichkeiten und unter Beachtung von Zumutbarkeitserwägungen, wird es bei vielen Anbietern nach einem solchen Fall genügen, regelmässig einen geeigneten Textfilter mit entsprechenden Keywords über die Seite laufen zu lassen. Diesbezüglich sollte aber die weitere technische Entwicklung beobachtet werden.

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

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