Eine Remix-Aktion des Politblogs von Markus Beckedahl unter netzpolitik.org sorgt im Moment nicht nur im Internet, sondern zwischenzeitlich auch im TV für einige Aufmerksamkeit.
Auf der Seite war zur kreativen Neugestaltung des CDU-Wahlplakats mit Wolfgang Schäuble aufgerufen worden. Unterstützt von der anhaltenden Kritik an Schäubles Politik haben zahlreiche Besucher der Seite eigene Abwandlungen des Plakats gestaltet und diese mit entsprechend satirischen und kritischen „Wahlwerbeslogans“ eingereicht. Diese wurden nicht nur auf netzpolitik.org veröffentlicht, sondern verbreiten sich – nicht zuletzt veranlasst von der Kritik an der Verwendung der Bilder – zwischenzeitlich fast schon viral im Netz.
Nach entsprechenden Protesten seitens der CDU und der Fotografin des Originalbildes ist nun eine intensive Diskussion darüber entstanden, ob eine solche Mediensatire rechtlich zulässig ist oder doch Rechte des Herrn Schäuble, der CDU oder Urheberrechte der Fotografin verletzt werden.
I. Rechtliche Betrachtung
Als Anspruchsinhaber kommen theoretisch in Betracht:
1. Herr Schäuble wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild
Gerade als in der Öffentlichkeit stehender Politiker wird sich Herr Schäuble eine solche Kritik wohl gefallen lassen müssen. Die Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG reicht gerade bei einer solch satirischen Auseinandersetzung (richtigerweise) sehr weit. Die Grenze der unzulässigen Diffamierung der abgebildeten Person dürfte hier in aller Regel nicht überschritten sein.
Herrn Schäuble stehen insoweit also keine Ansprüche zu.
2. die CDU wegen Verletzung ihrer Nutzungsrechte
Man darf davon ausgehen, dass der CDU von der Fotografin die Nutzungsrechte an dem Bild für ihre Wahlkampagne eingeräumt worden sind. Die CDU selbst stellt die Bilder der Wahlkamoagne 2009 nun unter folgendem Hinweis zur Verfügung:
Die Bilder dürfen ausschließlich zur redaktionellen Berichterstattung über die CDU-Bundestagswahlkampagne 2009 genutzt werden. Die Nutzung ist bis zum 31.12.2009 honorarfrei. Danach tritt die Honorarpflicht zugunsten der jeweiligen Agentur/des jeweiligen Fotografen gemäß deren AGBs in Kraft. Eine Weitergabe an Dritte ist untersagt. Die Weitergabe an und Nutzung durch weiterverbreitende Agenturen und Pressedienste ist nicht gestattet..
Damit wird – unter den genannten Bedingungen (fast schon ähnlich den Creative Commons Lizenzen) – ein entsprechendes Nutzungsrecht für redaktionelle Zwecke eingeräumt.
Zunächst ist schon fraglich, ob diese Einschränkung auf redaktionelle Zwecke überhaupt wirksam ist und damit erst durchgreift, weil nicht ganz klar ist, was damit gemeint sein soll. Unabhängig davon muss man wohl davon ausgehen, dass die Veröffentlichung auf netzpolitik.org ebensolchen journalistisch-redaktionellen Zwecken dient, auch wenn diese Art der Auseinandersetzung mit dem Thema nicht im Sinne der CDU ist.
Der CDU dürften wegen Veröffentlichung der veränderten Bilder keine Unterlassungsansprüche zustehen.
3. die Fotografin wegen Verletzung ihrer Urheberrechte
Der Fotografin stehen als Erstellerin der Fotos natürlich nach wie vor die Urheberrechte zu. Grundsätzlich sind solche Fotos gemäß § 2 UrhG gegen die Veröffentlichung durch Dritte ohne Zustimmung des Urhebers oder eines entsprechend Nutzungsberechtigten geschützt. Fraglich ist also schon, ob nicht bereits die CDU als Nutzungsberechtigte über die eigene Bilddatenbank eine hinreichende Zustimmung erklärt hat. Ob sie dieses Recht hat, hängt maßgeblich von der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Fotografin und der CDU ab, die bisher nicht bekannt ist.
Unabhängig davon wird allerorts aber vor allem diskutiert, ob eine solcher satirische Neugestaltung nicht über die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG oder aufgrund anderer urheberrechtlicher Schrankenbestimmungen zulässig ist.
a) Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit alleine kann sicherlich nicht zur Zulässigkeit der Remixaktion führen, weil diese sonst stets instrumentalisiert werden könnte, um urheberrechtlich geschützte Werke unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit beliebig (auch nur marginal) zu verändern, um sie dann zu veröffentlichen oder sonstwie zu verbreiten. Als Bestimmungen, die etwaige Urheberrechte einschränken, kommen deshalb allein die Vorschriften des Urhebergesetzte (UrhG) in Frage.
b) Zitat (§ 51 UrhG)
Aus meiner Sicht kann die Veröffentlichung des Bildes auch nicht über die Zitatregel des § 51 UrhG gerechtfertigt werden. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass die Verwendung bzw. Benutzung von Ausschnitten des jeweiligen urheberechtlich geschützten Werkes im Rahmen eines neuen, eigenständigen Werkes erfolgt. Zunächst ist aber schon fraglich, ob das vorliegende (Bild-)zitat überhaupt die notwendige über die reine Zitierung hinausgehende Auseinandersetzung mit dem Originalwerk bietet. Dabei ist außerdem zu beachten, dass Veränderungen an dem zitierten Werk grundsätzlich nicht vorgenommen werden dürfen (§ 62 I UrhG). Überdies fehlt es an der im Rahmen des § 51 UrhG erforderlichen Nennung des Urhebers bzw. der Quelle.
c) Freie Benutzung (§ 24 UrhG)
Fraglich ist aber, ob über die Neugestaltung des Werbeslogans eine freie Benutzung geschaffen worden ist, die dann gemäß § 24 UrhG ausnahmsweise auch ohne Zustimmung des Urhebers zulässig wäre.
In der Rechtsprechung gibt es verschiedene Fälle, in denen bei der Übernahme eines Werkes und der satirisch oder parodistischen Auseinandersetzung mit diesem von einer freien Benutzung im Sinne des § 24 UrhG ausgegangen sind. Entscheidend ist zunächst, dass sie sich mit dem übernommenen Werk kritisch im Sinne einer antithematischen Behandlung auseinander setzt. Dabei schadet es zunächst einmal nicht, wenn die wesentlichen Merkmale des Werkes beibehalten werden, wenn dennoch – wie Inhalte oder Aussagen integriert werden, wodurch die parodierten Züge der Vorlage ins Komische oder Satirische transformiert werden. Entscheidend ist dabei, dass aufgrund der satirischen Auseinandersetzung das Originalwerk gleichsam “verblasst“, weil es durch den sogenannten eigenschöpferischen Gehalt des neuen Werks überlagert wird.
Aus meiner Sicht sprechen gute Argumente dafür, dass die Voraussetzungen vorliegend gegeben sind und damit die Veröffentlichung der neugestalteten Plakate zulässig ist.
II. Zusammenfassung
Die oben genannten Argumente sprechen dafür, dass die Remixaktion auf netzpolitik.org zulässig war. Man wird sehen, ob die Fotografin nun tatsächlich ernst macht und die Angelegenheit auch einer gerichtlichen Klärung zuführt.
Angesichts der vorliegenden Einschätzung, die – zumindest im Ergebnis – auch von Anwaltskollegen geteilt wird, möchte man aber der CDU und auch der Fotografin im vorliegenden Fall eher raten, von einer weitergehenden Geltendmachung etwaiger Unterlassungsansprüche gegenüber den Betreibern von netzpolitik.org eher Abstand zu nehmen.
Heißt das also, wenn ich irgendwas veröffentliche, kann jeder das für Satire verwenden wie er lustig ist? Das ist ja vielleicht genau das letzte, was man möchte – dass die eigenen Werke verarscht werden.
Das ist ja der Sinn der Meinungsfreiheit, daß man die Kritisierten nicht um Erlaubnis fragen muß.