In Zeiten des allerorts propagierten Fachkräftemangels haben neben den Bewerbern auch zahlreiche Unternehmen die Sozialen Medien für sich entdeckt, um dort als attraktive Arbeitgebermarke (sog. Employer Branding) Interesse bei potentiellen Bewerbern zu wecken bzw. im Rahmen des Recruitung XING, Facebook & Co als Kanäle zur direkten Ansprache von Bewerbern zu nutzen. Immer mehr Unternehmen planen neben einem entsprechenden Engagement auf XING weitergehende Aktivitäten auf Facebook.
Neben eher datenschutzrechtlich geprägten Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen Unternehmen (bzw. deren Personaldienstleister) die Daten potentieller Mitarbeiter erheben und verwerten bzw. diese direkt über das jeweilige Soziale Netzwerk „ansprechen“ dürfen (vgl. Arbeitnehmerdatenschutz – Zulässigkeit der Gewinnung von Arbeitnehmer- und Bewerberinformationen über Soziale Netzwerke), können – wie das aktuelle Urteil des LG Heidelberg zeigt – unter Umständen auch wettbewerbsrechtliche Fragen relevant werden.
Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist nämlich unter anderem geregelt, iniwiefern und wie Mitarbeiter eines Wettbewerbers angesprochen bzw. abgeworben werden dürfen. Diese wettbewerbsrechtlichen Grenzen gelten selbstverständlich auch beim Recruiting in und über Social Media Plattformen.
I. Sachverhalt und Urteil des LG Heidelberg
Ein Personaldienstleistungsunternehmen im Bereich der IT-Branche hatte gegen einen Wettbewerber geklagt, weil dieser versucht hatte, Mitarbeiter des Personaldienstleisters in angeblich wettbewerbswidriger Art und Weise abzuwerben.
Der Konkurrent hatte Mitarbeiter der Klägerin über XING mit folgenden Worten angeschrieben:
„Sie wissen ja hoffentlich, in was für einem Unternehmen Sie gelandet sind. Ich wünsche Ihnen einfach mal viel Glück. Bei Fragen gebe ich gerne Auskunft.“Auf eine außergerichtliche Abmahnung hatte der Beklagte den wettbewerbsrechtlichen Verstoß nicht eingesehen und demnach auch keine entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben.
Die Klägerin hatte daher vor dem LG Heidelberg (Az. 1 S 58/11) auf Unterlassung und Erstattung der Anwaltskosten geklagt.
Das Gericht sieht die Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern in seinem Urteil vom 23.05.2012 mit nachvollziehbarer Argumentation als geschäftliche Handlung des Beklagten im Sinne von § 8 Abs.1 UWG an. Das XING Profil von dem die „Ansprache“ der Mitarbeiter ausgegangen war, sei im vorliegenden Fall nicht als reines Privatprofil anzusehen. Die Heidelberger Richter sind dabei offensichtlich aufgrund der Verwendung des Firmennamens im Profil und dem Hintergrund der Ansprache von einem objektiven Anschein einer unternehmensbezogenen Tätigkeit ausgegangen.
Das Gericht wertet die oben stehende Aussage als Herabsetzung der Klägerin (§ 4 Nr.7 UWG). Solche abwertende Bemerkungen seien vorliegend sachlich nicht gerechtfertigt und griffen deshalb unverhältnismäßig in das Interesse der Klägerin an einer angemessenen Darstellung in der Öffentlichkeit ein.Damit sei auch der Abwerbeversuch insgesamt als gezielte Behinderung eines Wettbewerbers gemäß § 4 Nr.10 UWG rechtswidrig.
Der Beklagte wurde demgemäß zur Unterlassung und zum Ersatz der Abmahnkosten (§ 12 Abs.1 Nr.2 UWG) verurteilt.
II. Bewertung des Urteils
Wenn Unternehmen selbst oder über Personalagenturen versuchen, Mitarbeiter ihrer Wettbewerber in und über Soziale Medien abzuwerben sind stets die unter 3 noch einmal zusammengefassten Grundsätze zur Zulässigkeit entsprechender Recruiting Maßnahmen zu beachten.
Spannend ist die oben skizzierte Entscheidung vor allem, weil das Urteil des LG Heidelberg sich als eine der ersten Entscheidungen in Deutschland mit der Frage der Einordnung eines Social Media Profils befasst. In zahlreichen meiner Workshops wird gefragt und diskutiert, ob und unter welchen Umständen Mitarbeiterprofile als privat oder dienstlich anzusehen sind.
Bei dem vorliegenden XING Profil ist das LG Heidelberg mit nachvollziehbarer Argumentation davon ausgegangen, dass die Nennung des Firmennamens im Profil und der Zweck der spezifischen Kontaktaufnahme (sprich Abwerbeversuch) als geschäftliche Handlung zu werten sei. Möglicherweise könnten auch weitere Indizien, wie z.B. das Versenden während der Arbeitszeit oder über die IT-Infrastruktur des Unternehmens (vgl. auch Urteil des LG Hamburg zu verschleierter Werbung eines Mitarbeiters), bei entsprechenden Fragen herangezogen werden.
Liegt eine geschäftliche Handlung vor, so sind sämtliche Regularien des Wettbewerbsrechts relevant. Da dies den meisten Mitarbeitern nicht bewußt sein wird, raten wir Unternehmen zur Einführung entsprechender Social Media Richtlinien, die aufgrund realer (Haftungs-)risiken für das Unternehmen auch hierfür sensibilisieren sollten.
III. Grenzen des Social Media Recruiting
Das Abwerben fremder Mitarbeiter ist auch bei einem planmäßigen Vorgehen grundsätzlich zulässig. Erst bei Hinzutreten besonderer Umstände, wie der Verfolgung eines verwerflichen Zwecks oder bei Einsatz verwerflicher Mittel oder Methoden stellt sich der Abwerbeversuch als wettbewerbswidrig dar.
Ein verwerflicher Zweck wird etwa angenommen, wenn das Ziel der Abwerbung primär eine Behinderung oder Ausbeutung des anderen Unternehmens ist.
Unzulässige Mittel und Methoden werden von der Rechtsprechung unter anderem in folgenden Fällen angenommen:
• Verleitung zum Vertragsbruch (z.B. Bruch eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots)
• irreführende oder herabsetzende Äußerungen
• unwahre Aussagen über geplante Personalmaßnahmen,
• Überrumpelung oder Androhung von Nachteilen
• Leere Versprechen oder Versprechen rechtswidriger Vorteile
Weitergehende Beschränkungen können bestehen, wenn die beiden Konkurrenten in einem Vertragsverhältnis stehen oder aktuell Vertragsverhandlungen führen. Gegebenenfalls wird von der Rechtsprechung eine besonderes Vertrauensverhältnis angenommen, welches nicht nur Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche, sondern unter Umständen sogar einen Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§17 UWG) begründen kann.
IV. Resumee
Wenig überraschend zeigt das Urteil des LG Heidelberg, dass natürlich auch in den Sozialen Medien die üblichen rechtlichen Rahmenbedingungen gelten. Allerdings zeigt die Erfahrung mit entsprechenden Rechtsfragen, dass diese spezifische Art der Kommunikation in den Sozialen Medien zu besonderen Anwendungsproblemen und –fragen. Wie gerade auch die geplanten Änderungen zum Arbeitnehmerdatenschutz in Social Media zeigen, passen die Vorstellungen des Gesetzgebers nicht immer zur Realität. Zum anderen aber führt der Fakt, dass Mitarbeiter unterschiedlichster Abteilungen die Möglichkeiten der Sozialen Medien nutzen, ohne für die entsprechenden rechtlichen Fragen sensibilisiert worden zu sein, zu einigen Unwägbarkeiten.
Die Schaffung der nötigen Medienkompetenz, die Sensibilisierung für kommunikative und rechtliche Aspekte der Sozialen Medien und die Einführung spezifischer Richtlinien stellen sich daher auch im Personalbereich und im Rahmen des eigenen Recruiting als elementare Voraussetzungen dar, damit sich Unternehmen kontrolliert den spannenden, neuen Möglichkeiten und Potentiale annehmen können.
Weiterführend:
Arbeitnehmerdatenschutz – Zulässigkeit der Gewinnung von Arbeitnehmer- und Bewerberinformationen über Soziale Netzwerke
Social Media Guidelines (TEIL 1) – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen
Social Media Guidelines (TEIL 2) – Kritische Analyse der SAP Social Media Participation Richtlinien
Social Media Guidelines (TEIL 3) – Praxishinweise zur Einführung von Richtlinien
Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen telefonisch unter 0711 228 54 50 oder per E-Mail culbricht@diempartner.de zur Verfügung.