Zahlreiche Unternehmen unterschiedlichster Branchen führen aktuell Richtlinien für die Nutzung der Sozialen Medien ein. Während die Kommunikations- und PR-Abteilungen in den Unternehmen- oft unterstützt von entsprechenden Agenturen – mit Social Media Guidelines eher intendieren, die Aktivität der Mitarbeiter in den Sozialen Medien zu befördern, hat die Rechtsabteilung oder der externe Jurist oft die undankbare Rolle, als „Spielverderber“ immer nur Bedenken und Risiken zu sehen. Dies führt in einigen Unternehmen dazu, dass die Rechtsabteilungen und Juristen schlicht außen vor gelassen werden oder über die fertigen Richtlinien nur noch einmal „kurz darüber schauen“ sollen.
Dabei spielen (arbeits-)rechtliche Implikationen – unabhängig von der Benennung als Guidelines, Tipps oder Policy – eine zentrale Rolle bei der Einführung und Ausgestaltung entsprechender Richtlinien.
Auch als langjährige Unterstützer der Idee und der Möglichkeiten der Sozialen Medien ist es integrativer Bestandteil unserer Aufgabe als rechtliche Berater, entsprechende Risiken zu identifizieren und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. In diesem Zusammenhang können Social Media Guidelines einen elementaren Beitrag leisten, um Risiken, die oft aus mangelnder Medienkompetenz der Mitarbeiter resultieren, einzudämmen.
Für Unternehmen, die – neben den ebenso wichtigen kommunikativen Aspekten – die wesentlichen rechtlichen Themenkomplexe in entsprechenden Social Media Guidelines interessengerecht regeln, dürften die Chancen einer kontrollierten Öffnung hin zu den Sozialen Medien die Risiken deutlich überwiegen. Betrachtet man die immensen Zuwächse bei Facebook & Co und die hohe Durchdringung bei zukünftigen Nachwuchskräften ist nicht davon auszugehen, dass das Phänomen „Social Media“ wieder nachlässt. Unternehmen, die das Thema proaktiv mit eigenen Richtlinien angehen, sind demgemäß deutlich besser aufgestellt, als diejenigen die es ignorieren oder versuchen „auszusperren“.
Neben Fragen nach der Notwendigkeit solcher Richtlinien, der inhaltlichen Gestaltung oder den bestehenden Grenzen der Meinungsfreiheit der Arbeitnehmer, die in den jeweils verlinkten Artikeln bereits dargestellt werden, ist nachfolgend zu prüfen, ob aus dem kollektiven Arbeitsrecht nicht sogar eine Mitbestimmungspflicht für die meisten Social Media Guidelines folgt.
Wie der nachfolgende Beitrag auf Grundlage höchstrichterlicher Rechtsprechung zeigt, kommt es diesbezüglich nicht darauf an, ob die Guidelines verbindlich oder unverbindlich gestaltet sind, sondern allein auf die einzelnen adressierten Regelungsgegenstände. Fragen, die bei vielen Unternehmen übersehen oder unterschätzt werden…
I. Voraussetzungen einer Mitbestimmungspflicht bei Social Media Guidelines
Die gesetzliche Verpflichtung zur Einbeziehung des Betriebsrates richtet sich nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG und hängt maßgeblich von der inhaltlichen Gestaltung (also den adressierten Themen) der Social Media Richtlinien ab.
Dabei ist rechtlich nicht entscheidend, ob die Richtlinie insgesamt mitbestimmungspflichtig ist – also nur mit dem Betriebsrat gemeinsam beschlossen werden kann. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist vielmehr Regelung für Regelung zu beurteilen, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat oder nicht. Die Grundsatzentscheidung des BAG ist im Jahre 2008 zum „Code of business conduct“ des Hauses Honeywell getroffen worden (BAG Beschluss vom 22.07.2008, Az. 1 ABR 40/07), mit der klaren Aussage: „Das Mitbestimmungsrecht an einzelnen Regelungen begründet nicht notwendig ein Mitbestimmungsrecht am Gesamtwerk.“
Insofern ist also für jedes adressierte Thema zu entscheiden, ob Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb geregelt werden, was nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zur Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats führt. Auch bei der Einführung oder Anwendung technischer Einrichtungen, die objektiv dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, ist der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG entsprechend einzubeziehen. Auch die zweite Vorschrift kann bei spezifischen Social Media Guidelines eingreifen.
Daraus folgt:
Die Darstellung von Zielen des Unternehmens, der Unternehmensphilosophie oder auch allgemein gültige Grundsätze (wie z.B. Hinweis auf die Pflicht zur Einhaltung der Gesetze) sind danach grundsätzlich mitbestimmungsfrei. Ebenso mitbestimmungsfrei sind Regelungen die allein dem privat-persönlichen Bereich zuzurechnen sind, wobei diese in vielen Fällen ohnehin die Regelungsbefugnis des Unternehmens überschreiten dürften.
Mitbestimmungspflichtig sind jedoch hingegen Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb, wobei eine funktionale Betrachtungsweise anzulegen ist, die nicht allein die räumliche Umgebung des Betriebes umfasst. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist insgesamt das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht hat insofern bereits mehrfach entschieden, dass auch eine etwaige Unverbindlichkeit entsprechender Regeln nichts an der Mitbestimmungspflicht ändert. Ausreichend ist vielmehr, wenn die Maßnahme darauf gerichtet ist, das Verhalten der Arbeitnehmer zu steuern oder die Ordnung des Betriebs zu gewährleisten (BAG, Beschluss vom 18. 4. 2000, 1 ABR 22/ 99). Demnach wird z.B. eine Regelung, die bei bestimmten Fallgestaltungen im Social Web die Einschaltung der Kommunikationsabteilung vorsieht, in aller Regel mitbestimmungspflichtig sein.
Regelungen zur Nutzung des Internets im Hinblick auf eine etwaige private Nutzung werden ohnehin regelmäßig als mitbestimmungspflichtig angesehen, wie auch die Einführung eines Formulars zur Abfrage von Vorgaben gemäß einer bestehenden Ethikrichtlinie (BAG Beschluss vom 28.50.2002, Az. 1 ABR 32/01). Da es bei vielen Regelungen in Social Media Guidelines (zumindest auch) um die Nutzung des Internet über die firmeninterne Infrastruktur (z.B. im Hinblick auf die IT Sicherheitsmaßnahmen) geht, dürfte insoweit auch bei zahlreichen Gestaltungen eine Mitbestimmungspflicht angenommen werden.
Darüber hinaus sind auch zahlreiche andere häufig enthaltene Regelungskomplexe, wie Hinweise zu Meinungsäußerungen der Arbeitnehmer, Achtung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Veröffentlichung von Fotos des Unternehmens oder der Kollege im Einzelnen ebenso im Hinblick auf eine Mitbestimmungspflicht zu prüfen.
II. Folgen einer unterlassenen Beteiligung des Betriebsrates
Wird der Betriebsrat in Fällen einer Mitbestimmungspflicht nicht entsprechend beteiligt, so kann dieser seine Beteiligung und sein Mitbestimmungsrecht einfordern und dieses Recht ggf. auch per Einstweiliger Verfügung durchsetzen. Wurde der Betriebsrat übergangen, ist durchaus wahrscheinlich, dass dies der Wahrnehmung und der Akzeptanz entsprechender Richtlinien im Unternehmen insgesamt (nachhaltigen) Schaden zufügt.
Rechtliche Präzision ist danach bei der Prüfung, ob die angedachten Guidelines im Einzelnen tatsächlich mitbestimmungspflichtig sind oder nicht unerlässlich. In entsprechenden Fällen ist auch wichtig zu wissen, an welchen Stellen der Betriebsrat tatsächlich einschreiten kann und wo nicht …. auch um entsprechend die Diskussionsschwerpunkte festlegen zu können
III. Keine Mitbestimmungspflicht – keine Beteiligung ?
Selbst wenn die rechtliche Prüfung zu dem – überraschenden und eher seltenen – Ergebnis käme, dass an keiner Stelle von einer Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates auszugehen ist, so raten wir dennoch, den Betriebsrat miteinzubeziehen.
Zunächst verhindert man damit das Risiko, dass mitbestimmungspflichtige Regelungen übersehen wurden. Zum anderen aber wäre es fahrlässig, die Meinungsführerschaft des Betriebsrates nicht zu integrieren und diesen beim Zukunftsthema „Social Media“ außer Acht zu lassen. Dabei muss aber bedacht werden, dass vielleicht auch der Betriebsrat erst auf den aktuellen Wissensstand zum Thema Social Media gehoben werden muss, um dem Thema offen möglicherweise sogar positiv gegenüber zu stehen und um schlussendlich kompetent mitarbeiten zu können.
IV. Inhalt von Social Media Guidelines
Richtlinien für die Nutzung der Sozialen Medien enthalten – wie gesagt unabhängig von deren Benennung – Handlungsempfehlungen oder klare Vorgaben, wie sich Mitarbeiter bei der Nutzung der Facebook, Twitter & Co verhalten soll(t)en. Unsere Empfehlung ist dabei weniger neue Regeln zu setzen, sondern bestehende Grenzen „nachzuzeichnen“ und den Mitarbeiter für potentielle Gefahren zu sensibilisieren.
Neben konkreten rechtlichen Vorgaben und Hinweisen muss es eine zentrale Aufgabe derartiger Guidelines sein, Medienkompetenz zu schaffen. Schulungen der Mitarbeiter anlässlich oder im Zusammenhang mit der Einführung entsprechender Guidelines haben sich daher als sinnvoll erwiesen.
V. Resumee
Die oben stehenden Ausführungen zeigen deutlich, dass auch bei unverbindlichen Social Media Guidelines die rechtlichen Implikationen nicht unterschätzt werden dürfen.
Die Erfahrung zeigt, dass entsprechende Mitarbeiterrichtlinien nicht nur Thema der Kommunikationsabteilung sind, sondern eben auch zahlreiche andere Bereiche betreffen. Bewährt hat sich deshalb die frühzeitige Einbeziehung der wesentlichen Abteilungen, wie Kommunikation, IT-Sicherheit, Recht aber auch der Geschäftsleitung. Da das Thema Social Media und das insofern bestehende Regelungsbedürfnis bei einigen Abteilungen oft noch nicht hinreichend „angekommen“ ist, lohnt sich ein initialer Workshop um für die zu regelnden Fragen zu sensibilisieren und diese konkret zu adressieren.
Auch eine rechtzeitige Einbeziehung des Betriebsrates ist zu empfehlen. Zum einen dürfte das Betriebsverfassungsrecht in vielen Fällen von einer Mitbestimmungspflicht ausgehen. Zum anderen können gute Social Media Guidelines auch tatsächlich Leitplanken für Mitarbeiter darstellen und damit Sicherheit im Umgang mit dem modernen Internet vermitteln. Insofern sind ausgewogene Social Media Guidelines auch durchaus im Interesse der jeweiligen Arbeitnehmervertretung. Unabhängig vom Bestehen einer Mitbestimmungspflicht halten wir es daher für sinnvoll, einen etwaigen Betriebsrat bei diesem Zukunftsthema „mitzunehmen“, zu gegebener Zeit einzuschalten und so insgesamt die Akzeptanz der Richtlinien im Unternehmen zu steigern.
Weiterführend:
Interview in der ZEIT Online „Verbote sind keine Lösung“
Social Media Guidelines (TEIL 1) – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen
Social Media Guidelines (TEIL 2) – Kritische Analyse der SAP Social Media Participation Richtlinien
Social Media Guidelines (TEIL 3) – Praxishinweise zur Einführung von Richtlinien
Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter 0711 228 54 50 oder den unten stehenden E-Mailadressen zur Verfügung.
Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht
(E-Mail culbricht@diempartner.de)
Rechsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Birte Keppler
(E-Mail bkeppler@diempartner.de)
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