Meinungsfreiheit vs. Dientspflicht – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entlässt Mitarbeiter wegen rassistischen Äußerungen auf Facebook

Spätestens seit letztem Jahr häufen sich die Fälle, in denen Unternehmen oder Behörden Äußerungen ihrer Mitarbeiter in den Sozialen Medien als so gravierend ansehen, dass die Mitarbeiter abgemahnt bzw. gekündigt werden. In aller Regel stellt sich bei diesen Fällen, die vereinzelt auch schon gerichtlich entschieden worden sind (vgl. „Gefeuert wegen Facebook – Landesarbeitsgericht Hamm hält Kündigung wegen Äußerung eines Mitarbeiters auf Facebook für zulässig“), die Frage, welche Äußerungen unter Berücksichtigung der in Art.5 Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit (noch) zulässig sind und welche Aussagen über diese Grenzen hinausgehen und damit berechtigterweise auch zu Abmahnungen oder Kündigungen führen können.

Nachdem die Suspendierung mehrerer Feuerwehrleute durch den Düsseldorfer Oberbürgermeister wieder zurückgenommen worden war, bewegt nun ein weiterer aktueller Fall aus der Behördenwelt die Gemüter und diverse Medien.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) betreibt seit einiger Zeit eine durchaus erfolgreiche Facebookseite. Auf dieser Seite wurde unter einen Post des BAMF zum Thema „Diskriminierung im deutschen Wohnungsmarkt“ von einem  Mitarbeiter des Bundesamtes wie folgt kommentiert:

Toleranz und Menschenwürde hin oder her( Ich bin dafür, keine Frage) aber als Vermieter würde ich doch eine Kultur präferieren, die den kulturellen Gegebenheiten adaptiert ist und weiß wie man die Wohnung in einem moderaten Zustand hält. Ich zweifle dran, dass es Afrostämmige schaffen, sich in diesem Kontext anzupassen, der Ordnungssinn ist nur partiell, wenn nur brückstückhaft vorhanden/ bzw.ausgeprägt. Daher mein Vorschlag, sie viel. in einem Kultivierungsseminar zu „europäisieren“.

Nach unmittelbarer Kritik und entsprechenden Rassismusvorwürfen durch andere Kommentatoren hat der Mitarbeiter seine Position unter Verweis auf die Meinungsfreiheit offensichtlich noch einmal bekräftigt. Der Mitarbeiter hatte zwar mit seinem privaten Profil kommentiert, in dem er aber als Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration zu identifizieren war. Das BAMF hat dann auf der Facebookseite selbst sehr schnell reagiert und den Mitarbeiter nun aufgrund der Äußerungen gekündigt. Dieser Vorfall führt aktuell in den Medien zu einer entsprechenden Berichterstattung und auf der Facebookseite des Bundesamtes für teils hitzige Diskussionen, ob man Mitarbeiter aufgrund solcher Aussagen kündigen darf oder diese noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Der aktuelle Fall, der nachfolgend aus rechtlicher Sicht diskutiert werden soll, zeigt ein weiteres Mal die Relevanz einiger (rechtlicher) Implikationen bei XING, Facebook & Co auf, mit denen sich nicht nur Unternehmen und deren Mitarbeiter, sondern auch Behörden und andere öffentliche Stellen auseinandersetzen sollten. In diversen Veranstaltungen und Inhouse-Workshops, in denen wir vergleichbare Praxisfälle aufzeigen, wird deutlich, dass in Unternehmen und Behörden das Bewußtsein für die „neue Öffentlichkeit“ durch Twitter, Facebook & Co fehlt und auf entsprechende (Rechts-)probleme auch nicht vorbereitet sind. Der nachfolgende Beitrag soll deshalb nicht nur die rechtlichen Hintergründe skizzieren, sondern auch aufzeigen, wie mit entsprechenden Fragestellungen umgegangen werden sollte, um alle Beteiligten zu sensibilisieren, aber auch bestehende Risiken zu minimieren.

Es sollte im Interesse der Unternehmen und auch öffentlicher Stellen sein, mit rechtlich abgesicherten Social Media Richtlinien genau solche Fälle möglichst zu verhindern. Wer mit entsprechenden Guidelines vorsorgt, kann im besten Fall den Schaden für das Unternehmen oder die Stadt, aber auch arbeitsrechtliche Maßnahmen verhindern. Nach unserer Einschätzung wird die Existenz entsprechender Richtlinien aber auch für Klarheit und zu prognostizierbareren Ergebnissen in etwaigen Kündigungsschutzprozessen beitragen.

I. Rechtliche Grenzen von Aussagen im Social Web

Nach Art. 5 Abs.1 S.1 GG hat jeder das Recht seine Meinung egal in welcher Form frei zu äußern und zu verbreiten. Dies gilt grundsätzlich auch für den Mitarbeiter im Rahmen seiner Arbeitsverhältnisses (BAG 2 AZR 584/04). Die Meinungsfreiheit kann jedoch durch allgemeine Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art 5 Abs.2 GG) begrenzt werden. Mitarbeiter können sich insofern dann nicht auf ihr Recht auf freie Meinungsäußerung berufen, wenn sogenannte Schmähkritik, Formalbeleidigungen oder verleumderische Aussagen in und über Soziale Netzwerke verbreitet werden.

Ansonsten wird aus jedem arbeitsvertraglichen Verhältnis eine Rücksichtnahmepflicht abgeleitet, die dazu führen kann, dass auch eine ansonsten zulässige Kritik gerade wegen der Öffentlichkeit der Äußerung in einem Sozialen Netzwerk sich als unzulässiger Verstoß gegen die genannte „Loyalitätspflicht“ darstellt, wenn dem Unternehmen dadurch ein besonderer Schaden zugefügt wird. Bei der insoweit notwendigen Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Rücksichtnahmepflicht kommt es maßgeblich auf den Inhalt und die Einzelumstände der Äußerung (wie Schwere der Beeinträchtigung des Unternehmens, sprachlicher Kontext, (zu verantwortender) Verbreitungsgrad etc.). Besonders relevant wird das Thema, wenn Kunden oder Vertragspartner des Unternehmens Kenntnis erlangen und nachteilig reagieren (LAG Baden-Württemberg 4 Sa 107/67).

Während gerichtlich bereits festgestellt worden ist, dass die Mitarbeiter bei einem internen Gespräch mit Arbeitskollegen darauf vertrauen dürfen, dass die Äußerungen nicht weitergetragen werden (BAG AZR 543/08), wird man dies dem jeweiligen Mitarbeiter bei einer Veröffentlichung im Internet gerade nicht zugute halten können. Eine Veröffentlichung im Internet oder Social Web führt angesichts der zahlreichen Weiterverbreitungs- und Vervielfältigungsmöglichkeiten schließlich regelmäßig zu einem Kontrollverlust. So hat das Bundesarbeitsgericht es bereits mehrfach als verhaltensbedingten Kündigungsgrund angesehen, dass sich ein Arbeitnehmer direkt an die Öffentlichkeit gewandt hat (zuletzt BAG AZR 232/02).

II. Einschätzung des aktuellen Falles

Für Beamte, im Bereich des öffentlichen Dienstes, für Betriebsräte und bei sogenannten Tendenzbetrieben (Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, politischen Einrichtungen o.ä.) werden für (politische) Äußerungen (gerade im Internet) allerdings noch weitergehende Grenzen angenommen.

Spezifische Einschränkungen können sich unter anderem aus vertraglichen Regeln ergeben. Ausdrückliche Regelungen, die zur Verdeutlichung natürlich Sinn machen, können aber entbehrlich sein, wenn sich entsprechende Bindungen aus der Art des konkreten Arbeitsverhältnisses ergeben. Aufgrund einer entsprechenden Stellung wird gerade im öffentlichen Dienst eine allgemeine funktionsbezogene Zurückhaltung erwartet. So hat etwa das Bundesarbeitsgericht schon vor vielen Jahren entschieden, dass Lehrer an staatlichen Schulen während ihres Schuldienstes keine Anti-Atomkraft-Plaketten tragen durften (BAG 1 AZR 694/79). Dabei wird der Grad der politischen Loyalitätspflicht in der Regel vom Status, der konkreten Stellung und dem Aufgabenkreis des Mitarbeiters abhängig gemacht.

In dem oben genannten Urteil hat das BAG dann für öffentlich Angestellte ausdrücklich entschieden, dass diese sich so zu verhalten haben, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird. Die umfasse auch das Gebot der Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung.

Dazu führt das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich aus:

Für die Beamten ist dieses Gebot in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder ausdrückl. gesetzl. festgelegt (§ 52 Abs. 2 BBG, § 35 Abs. 2 BRRG, § 58 HbgBG i. d. F. vom 29. 11. 1977, GVBl. S. 367). Danach hat der Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergibt. Es handelt sich hierbei um einen für den gesamten öffentlichen Dienst und damit auch für die im Arbeitsverhältnis stehenden Mitarbeiter geltenden allgemeinen Grundsatz, der daraus folgt, daß sämtliche Angehörigen des öffentlichen Dienstes, Angestellte ebenso wie Beamte, dem ganzen Volke und nicht einer Partei oder einer sonstigen politischen Gruppierung dienen (vgl. BAG 7, 256, 261).

Aufgrund dieser Rechtsprechung spricht einiges dafür, dass die Kündigung bei den bekannt gewordenen Äußerungen eines Mitarbeiters im öffentlichen Dienst berechtigterweise ausgesprochen worden ist. Gerade von einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration dürfte man hinsichtlich rassistisch geprägter Äußerungen in der Öffentlichkeit (zudem auf der Facebookseite seines Arbeitgebers) eine entsprechende Zurückhaltung erwarten dürfen. Dies gilt umso mehr, wenn der Mitarbeiter die Äußerungen innerhalb der Dienstzeit getätigt haben sollte.

In dem vorliegenden Fall soll darüber hinaus nicht unerwähnt bleiben, dass das BAMF aufgrund entsprechender Erfahrung mit den Sozialen Medien sehr schnell und professionell reagiert hat. Man hat die „Krise“ nicht nur kommunikativ entsprechend begleitet und kommentiert, sondern mit der Kündigung auch relativ schnell gehandelt. Diese glaubwürdigen Reaktionen dürften maßgeblich zu der für das Bundesamt insoweit unschädlichen Berichterstattung beigetragen haben.

III. Fazit „Meinungsfreiheit bei Twitter, Facebook & Co“

Wenn Mitarbeiter bei Facebook & Co falsche Tatsachen behaupten, die geeignet sind, den Ruf eines Unternehmens oder deren Mitarbeiter zu schädigen oder Beleidigungen getätigt worden sind, die sogar eine strafrechtliche Relevanz besitzen, halte ich ein Tätigwerden des jeweiligen Unternehmens für nachvollziehbar, je nach Schwere der Rechtsverletzung vielleicht sogar für geboten. Falsche Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen, unzulässige Schmähkritik und einige weitere schwerwiegende Eingriffe in legitime Rechte und Interessen muss sich nach meiner Auffassung auch im Social Web niemand gefallen lassen. Auch wenn die Rechtsprechung zu entsprechenden arbeits- und dienstrechtlichen Fragen noch sehr divers ist und eine eindeutige Linie vermissen lässt, so ist die die obenstehend skizzierte Grenze zulässiger Meinungsäußerungen vorliegend wohl nicht überschritten.

Der Fall zeigt dennoch überdeutlich, warum es so wichtig ist, die eigenen Mitarbeiter mit Social Media Richtlinien, für die bestehenden rechtlichen Grenzen, aber auch einige medienbedingten Besonderheiten zu sensibilisieren. Nur wer die (rechtlichen) Grenzen kennt, kann entscheiden, ob er diese bewußt überschreitet.

Die meisten „Probleme“ mit der Nutzung der Sozialen Medien durch die Mitarbeiter resultiert  aus Unwissenheit und fehlender Medienkompetenz. Wer sein Unternehmen und seine Mitarbeiter vor solchen Risiken bewahren aber auch die Chancen der Sozialen Medien nutzen möchte, der sollte seinen Mitarbeiter mit Social Media Richtlinien und/oder Schulungen ebendiese Medienkompetenz vermitteln.

Unternehmen, die zumindest die eigenen Mitarbeiter vor unbedachten Fehlern oder Grenzüberschreitungen bewahren wollen, um sich damit schlussendlich auch selbst vor Risiken zu schützen, den können Social Media Guidelines helfen, den eigenen Mitarbeitern kommunikative, rechtliche bis hin zu datensicherheitstechnischen Aspekten zu vermitteln. Dabei zeigt der aktuelle Fall wieder einmal, dass es bei einer sachangemessenen Social Media Policy auch nicht mit fünf kurzen Hinweisen a la „Think before you post“ und „Achten Sie Recht und Gesetz“ getan ist.

Weiterführend:
Interview in der ZEIT Online „Verbote sind keine Lösung“
Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen
Social Media Guidelines & Recht – Grenzen der Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis
Social Media Guidelines & Recht – Praxishinweise zur Einführung von Richtlinien

Disclaimer: Dieser Beitrag ist inhaltlich angelehnt an den im Februar 2013 veröffentlichten Beitrag Meinungsfreiheit vs Dienstpflicht – Düsseldorfer Oberbürgermeister suspendiert Feuerwehrleute wegen Kritik auf Facebook

Gerne stehen wir bei weitergehenden Fragen oder Interesse an einem entsprechenden Inhouse Workshop telefonisch unter +49 (0) 711 860 40 025 oder via E-Mail carsten.ulbricht@menoldbezler.de zur Verfügung.

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